Ich sah “50 Shades of Grey” mit meinem Mann. Was dann geschah…

Rollen Sie gerade etwas genervt mit den Augen? Das kann ich mir vorstellen. Auf allen Kanälen seit Tagen nichts als 50 Shades of Grey. Der Film, das Buch, die Schauspieler… *gähn*

Träume werden wahr

Wie ich aus meinem Freundeskreis weiß, fragten bereits so einige Männer leise und ganz vorsichtig nach, ob die Liebste nicht mal Lust hätte sich den Film mit ihnen gemeinsam … ähm, nicht? O. k., dann schnell das Thema wechseln.

Das Interesse ist also unbestritten da. Wie sonst konnte eine dermaßen schlecht geschriebene, erotische Roman-Trilogie mit abstruser Handlung ein WELTBESTSELLER werden? Nun ja, höre ich Sie sagen: Die Masse der Bevölkerung liest auch die BILDzeitung. Aber erstaunlicherweise ist die Fangemeinde der britischen Autorin E. L. James eher im Milieu der gut ausgebildeten Besserverdiener angesiedelt. Was also ist das Geheimnis von 50 Shades of Grey? *ᵂᴱᴿᴮᵁᴺᴳ

Ganz einfach: Die Handlung bedient geheimste Träume und verborgene Wünsche! Das unscheinbare “Mädel vom Lande” lernt durch eine glückliche Fügung des Schicksals (!) den unglaublich reichen und unglaublich attraktiven Christan Grey kennen, der – wie sich später herausstellt, unglaublich ausgefallene sexuelle Vorlieben hegt. Unglaublich schnell verfallen sie einander und der reiche, beziehungsunfähige Traumprinz mit den ausgefallenen sexuellen Neigungen erweckt ihre “innere Göttin” und entwickelt sich im Laufe der Handlung zum gezähmten Liebenden und Ehemann. Mit Kind. Unglaublich!

4 Tabubrüche an einem Tag

Was also bewog den Göttergatten und mich dazu, uns den Film anzutun?

1. Die wissenschaftliche Begründung
   Ich bin (unter anderem) Germanistin. Für mich ist es einfach interessant, wie eine Trilogie im Stile eines Groschenromans zum Weltbestseller werden konnte.
2. Die kulturelle Begründung
   Ich bin Cineastin. Ich war neugierig, wie der Stoff filmisch umgesetzt wird und ob er den Erfolg der Bücher wiederholen kann.
3. Die psychologische Begründung
   Wer sieht sich so einen Film an? Hauptsächlich Frauen? Welche Altersgruppe? Sitzen da Männlein und Weiblein in Lack und Leder im Publikum? Gefällt uns der Film etwa und belebt er unsere Ehe?
4. Die jecke Begründung
   Es war Valentinstag. Und Karneval.

Wenn Sie unbedingt eine Begründung brauchen, um sich den Film anzusehen, dann leihen Sie sich gerne eine der oben genannten Begründungen aus.

Spice up your marriage – Der Eheabend

Wie, was, ausgehen am Valentinstag? Und dann auch noch 50 Shades of Grey gucken? Wirklich? (Sie dürfen sich jetzt gerne die Zeit nehmen, um sich kurz darüber zu empören, dass wir diesen kommerziellen “Feiertag” nutzen. Fertig? Gut, dann weiter). Ich finde ja, man kann nicht genug Gelegenheiten finden, um mal wieder in trauter Zweisamkeit miteinander auszugehen. Als Paar. Alleine. So richtig fein gemacht für den anderen und konzentriert aufeinander. Wir nennen das Ehe-Abend, aber natürlich ist das Prinzip auch anwendbar, wenn Sie nicht verheiratet sind.

Der Gatte sollte es diesmal eigentlich besonders leicht gehabt haben ein Geschenk zu finden, schrieb ich doch erst kürzlich hier im Blog den Beitrag Kann der Mann weg oder brauch ich den noch? 8 Tipps für einen gelungenen Valentinstag.

Nun ist es aber so, dass der Mann und ich einen etwas speziellen Humor haben. Verteufelte ich im vorab genannten Beitrag noch Männer, die ihre Frauen am Valentinstag zum Essen ausführen und dafür einen Groupongutschein benutzen, so zückte der Gatte – Mr. Grey-ähnlich grinsend – einen ebensolchen Gutschein und führte mich zum Candle-Light-Dinner aus. Der Tisch war mit Rosenblättern in Herzchenform geschmückt, es gab 4 erstaunlich gute Gänge und an den Tischen um uns herum saßen schüchterne Paare und schwiegen sich an. Es war zum Kichern. Der Mann musste natürlich für seinen Fauxpas bluten und eine Flasche Champagner bestellen. Nach dem Dinner stand ich auf, warf meine Serviette auf den Tisch, sagte laut: “Tut mir leid, aber das wird nichts mit uns!” und rauschte zur Garderobe. Das Essen: preisgünstig. Die Gesichter am Nebentisch: unbezahlbar!

Von Kinos mit Liegesitzen

Mein Valentinsgeschenk für den Mann: Die 50 Shades of Grey Filmpremiere. Merke: Unerwartete Geschenke sind die besten Geschenke! Mit dem Taxi fuhren wir nach Köln ins Kino, aber natürlich nicht in einen dieser neumodischen Kinopaläste, sondern in die Residenz Astor Filmlounge in Köln, einem traditionsreichen Lichtspielhaus im Stil der 50er Jahre (erbaut 1950) mit Samt, Leder, Pärchensitzen und einer Bar im Foyer. Die Karten konnten nur übers Internet gebucht werden und waren nach dem Start innerhalb weniger Minuten ausverkauft!

Das Geschenk kam gut an und der Mann wurde ganz nervös. Kennen Sie diese superbequemen Liegesessel, bei denen sich automatisch eine Fußbank hochklappt, wenn man sich zurücklehnt? Genau so sind die Sitze im Astor. Man kann sich fast bis in Liegeposition zurücklehnen, was bei einem Film wie 50 Shades of Grey natürlich für erwartungsvolles Getuschel im Publikum sorgt. Neben jedem Sitz ist ein kleines Tischchen installiert, wo beflissene Kellner auf Bestellung kleine Speisen, Cocktails und Champagner reichen. Der Mann war sehr angetan!

Wer sieht sich denn so etwas an?

Aber wer sieht sich denn nun so einen Film an? Ich schätze mal, 80 Prozent der Zuschauer waren Frauen. Grüppchen von Freundinnen Mitte 20, Paare Mitte 30 aufwärts und 1 älterer Herr, schätzungsweise Ü 70. Ich konnte niemanden in Lack und Leder entdecken und es trieb auch niemand die Kellner via Peitsche zur Eile an. Tendenziell intellektuell würde ich sagen.

Besonders lustig war die Kinowerbung vor dem Film: Werbung für Kondome und diverse Gleitmittel für die Frau wechselten sich ab und sorgten für gute Stimmung im Publikum. Der Hauptfilm war wenig inspirierend und die Hauptdarsteller fand ich persönlich eher nichtssagend. Dakota Johnson nagte, wie im Buch vorgeschrieben, dauernd an ihrer Unterlippe, was ja besonders erotisch wirken sollte. Jamie Dornan empfand ich als Fehlbesetzung. Der Mann hat seltsam trübe, ausdruckslose Augen, und die viel gepriesene “hypnotische Ausstrahlung” konnte ich nicht entdecken, aber das ist ja Geschmackssache.

Es gab ein paar lustige Szenen und natürlich DAS SPIELZIMMER! Ho ho ho! Peitschen, Seile, Handschellen, Leder … alles superästhetisch aufgereiht und sehr stilvoll. Aber inspirierend? Nein. Authentisch? Wahrscheinlich auch nicht. Aber die Zuschauer wissen jetzt zumindest, wie so ein Zimmer aussehen könnte, wenn man sehr viel Geld besitzt.

Ansonsten ist die Story emanzipatorisches Mittelalter. Dialog gefällig?

Ana: “Christian, was hast du nur davon, wenn du mich schlägst?”

Christian: “Es bereitet mir Lust.”

Ana: “Und was habe ich davon?”

Christian: “Du hast mich!”

Mir fällt dazu nur eines ein: Oh! Mein! Gott!

Wenig subtil auch die Tapenten-Symbolik in Anas persönlichen Raum im Grey-Appartement: Ein asiatisches Kirschblütenmuster umrankt einen Vogelkäfig. Im Käfig sitzt ein kleines Vögelchen, aber die Käfigtür steht offen. Wroarrrrrrr… mir wird schlecht (Tschuldigung).

Was ist denn nun erotisch an diesem Erotik-Drama? Für mich eindeutig die Szenen im Aufzug (Kussszene!) und der Soundtrack. Die Schlussszene mit der sich schließenden Aufzugtür ist ein schöner Cliffhanger, Teil 2 und 3 lassen grüßen. Dem Mann gefielen besonders die diversen Flugzeuge des Christian Grey und er träumt jetzt von einer eigenen Firmenzentrale wie dem Grey-Tower. Ich habe ein paar Interieur-Anregungen aus dem Grey-Appartement mitgenommen (nein, nicht das Spielzimmer. Ts.). Der Abend war also insgesamt unterhaltsam und nach Filmende blieb auch niemand mit Handschellen an seinen Sitz gekettet zurück.

Seien Sie also unbesorgt, meine Damen, falls der Ehegatte leise anklopft, ob Sie nicht auch mal mit ihm in diesen Film gehen wollen … machen Sie ruhig! Ich interessiere mich von Haus aus auch nicht für BDSM und bin eher der Typ Frau, der zurückschlägt und nicht auch noch die andere Wange oder den Po hinhält. Nach dem Film werden Sie beide wahrscheinlich keinerlei Lust verspüren, irgendetwas von dem Gezeigten auszuprobieren. Versprochen!

Sie waren schon in 50 Shades of Grey? Dann schreiben Sie doch bitte Ihre Erfahrungen hier in den Kommentar!

Für alle, die sich noch nicht sicher sind, hier der Trailer:

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