Die Operation, die mein Leben verändern wird. Zum Guten.

Der Operationssaal ist schmal. So überraschend schmal! Oder liege ich hier noch im Vorbereitungsraum? Die Schwester sticht eine Nadel in meinen Handrücken für den venösen Zugang. Meine Venen sind schlecht. Kaum zu sehen. Die Nadel fährt in meinen Handrücken, trifft aber keine Vene. Nadel erneut rein. Aua. Raus. Aua. Rein. Aua. Raus. "Wenn Sie so weiter machen, bin ich noch vor der OP ohnmächtig", kichere ich auf dem Operationstisch. Das Beruhigungsmittel wirkt, ich fühle mich leicht benebelt, wie angetrunken. Die Schwester runzelt unter ihrer OP-Maske streng die Stirn und ruft den Oberarzt aus dem anderen Operationssaal. Er eilt heran, sagt augenzwinkernd "Ich bin Doktor XY, Oberarzt, und muss Sie jetzt mal ein bisschen verhauen." Dann klopft er beherzt auf meinen anderen Handrücken, sticht einmal zu und der Zugang sitzt. Der Narkosearzt stülpt mir eine Atemmaske über: "Sie bekommen jetzt Sauerstoff." Und ich denke: "Oh, schön, Sauerstoff!" und schon bin ich weg.

Das Ding in mir

Seit 30 Jahren wohnt dieses Ding nun in mir. Ich war Anfang 20, als ich es zum ersten Mal bemerkte. Ganz klein, kaum spürbar war dieser Hubbel unter meinem Ohrläppchen. Kaum erbsengroß, schmerzlos. Dennoch ging ich zum Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO), man kann ja nie wissen.

Er tastete die Minierbse ab, bewegte sie hin und her und meinte dann launig: “Das ist eine Zyste. Wenn es ein Tumor wäre, könnte man ihn nicht hin und her bewegen und das Gewebe drumherum würde sich matschig anfühlen. Wenn es sich matschig anfühlt, ist es Krebs. Hahaha. Kommen Sie ab und zu wieder, wir beobachten das.”

Ich bin selten sprachlos, aber nach dieser Aussage war ich es. Was für ein Idiot! Wie kann man das Wort “Krebs” in den Mund nehmen und lachen? Was, wenn ich ein Mensch mit Depressionen gewesen wäre? Vielleicht hätte ich mich dann von der nächsten Brücke gestürzt? So war ich empört, ging nie wieder hin zu dem Wortschlächter und vergaß das Ding. Hin und wieder fühlte ich, ob es größer oder matschig wird, ab und zu machte ein anderer HNO einen Ultraschall, und ich vergaß mit der Zeit das Ding. Bis es Anfang des Jahres beschloss, zu wachsen.

Das Ding wächst

Die Minierbse in meiner Ohrspeicheldrüse wuchs innerhalb weniger Monate zu einer Kidneybohne heran und meine Sorgen zu einem Riesenkürbis. Ich konnte nicht mehr auf der Seite schlafen, weil das Ding drückte. Es rauschte in meinem Ohr, das Schwindelgefühl kam immer öfter. Ich ging zu meinem HNO.

An Ihrer Stelle würde ich das Ding entfernen lassen

Er ultraschallte mich sorgfältig, wurde sehr ernst und riet mir dringend zu einer Operation. Ich ging nach Hause, setzte mich an den PC und recherchierte. Ich wollte mich nur in die besten Hände begeben. Schließlich habe ich ein zehnjähriges Kind, das ich beim Großwerden begleiten möchte. Mein HNO empfahl mir das Speicheldrüsenzentrum der Uniklinik Köln, und auch die Recherche im Internet ergab gute Bewertungen. Ich machte einen Termin.

Es könnte sein, dass ihr Gesicht nach der OP gelähmt bleibt

Alle waren so freundlich. Das Personal an der Patientenaufnahme, die Schwestern, die Ärzte. Alle nahmen sich Zeit, beantworteten meine Fragen, und ich hatte viele Fragen!

Im schlimmsten Fall könnte es sein, dass ihr Gesicht nach der OP gelähmt bleibt.

Die Ohrspeicheldrüse ist von 20-30 Lymphknoten durchsetzt und dort verläuft der Gesichtsnerv und verzweigt sich in einzelne Äste. Werden diese bei der OP durchtrennt, kann das Gesicht gelähmt bleiben. Na toll!

Was passiert, wenn das Ding bösartig ist? Was passiert, wenn mein Gesicht nach der OP gelähmt und/oder schief ist? Diese Fragen zogen mir ein wenig den Boden unter den Füßen weg. Das Ding wurde punktiert und ich erhielt nach wenigen Tagen eine vorläufige Entwarnung: Bisher keine bösartigen Zellen nachweisbar. Dennoch bekam ich die dringende Empfehlung, das Ding entfernen zu lassen, damit es nicht entartet. Ich machte einen OP-Termin nach dem Familien-Urlaub aus, damit ich gut erholt den Eingriff überstehe.

In Krisensituationen wird der Mensch gerne spirituell, das liegt wohl in unserer Natur. Ich las Bücher über die Heilkraft der Gedanken, ich lud mir lustige Filme aufs Smartphone, ich sah lustige Filme zuhause. Und ich programmierte mich darauf, dass alles gut wird. Es war nicht einfach, aber in meinem Kopf war kein Platz mehr für einen anderen Gedanken als: Alles wird gut!

Spitzen Sie den Mund und fletschen Sie die Zähne

Ich erwachte aus der Narkose mit einem Druckverband um den Kopf, wie ihn die Unfallopfer in amerikanischen Ärzteserien tragen. Doch statt George Clooney oder Patrick Dempsey stand die Oberärztin an meinem Bett, die mich operiert hatte. Ich denke, das war nur fair, schließlich hatte sie die ganze Arbeit.

Spitzen Sie den Mund! Lächeln Sie mich an! Fletschen Sie die Zähne! Runzeln Sie die Stirn!

Artig führte ich all ihre Befehle aus, und zeitgleich lief ein Lächeln über unser beider Gesicht. Sie hatte es geschafft das Ding zu entfernen, ohne den Gesichtsnerv zu verletzen. Meine persönliche Heldin.

Ich blieb vier Tage im Krankenhaus. Vier Tage mit einem immer kleiner werdenden Verband, vier Tage mit einem Blutdruck, der verrückt spielte, vier Tage nahezu ohne Schlaf, vier Tage mit zwei weiteren Patientinnen, die mit mir das Zimmer und die Sorgen teilten.

Am vierten Tag kam das Abschlussgespräch mit dem Untersuchungsergebnis. Das Ding war ein Tumor. Und er war gutartig. Der sorgenvolle Riesenkürbis fiel mir förmlich vom Herzen. Alles war gut.

 

Die Operation wird mein Leben verändern

Die lange OP-Narbe im Gesicht wird mir als Andenken bleiben. Aber hey, ich habe bereits eine Narbe an der prominentesten Stelle im Gesicht, was ist da schon eine weitere Narbe!

Besser eine Narbe im Gesicht, als eine Narbe auf der Seele! (Valérie von Life40up!)

Ich konzentriere mich jetzt auf die Heilung. Viel Schlaf, kein Stress und nur gute Gedanken. Und wenn ich wieder fit bin, werde ich einige Dinge in meinem Leben ändern. Vielleicht die Frisur, ganz sicher die Ernährung, und ganz sicher den Umgang mit meinem Körper, damit kein neues Ding entsteht. Selfcare nennt sich das heutzutage. Meine Reise beginnt jetzt. Ich nehme euch mit.

Stay strong. Stay healthy. Care for yourself!

 

 

 

 

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19 Comments

  1. Liebe Valérie,
    ich drücke und beglückwünsche dich zu deiner Stärke. Die Ängste, die du durchgemacht hast, kann ich nur erahnen. Und wie wundervoll, dass die Ärztin so einen guten Job gemacht hat. Deine Vorbereitung mit positiven Gedanken, Filmen und wahrscheinlich auch anderen Sachen in deinem Leben, kenne ich nur allzu gut. Auch mir hat diese „Taktik“ im ganzen letzten Jahr sehr geholfen. Ich hoffe, ich schaffe es nächste Woche zu meiner Ernährungsumstellung einen Eröffnungspost zu schreiben. Vielleicht kannst du daraus etwas für dich herausziehen. Ich hoffe es, denn ich habe in der Vergangen auch viel aus deinen Texten gezogen, das mich positiv gestimmt und mir bei Entscheidungen geholfen hat. Danke dir dafür. Ganz viele Herzen für dich und deine beiden Jungs zuhause.
    Monika

    1. says: Life 40up

      Liebe Monika, jetzt habe ich wirklich ein kleines Tränchen im Auge. Du weißt, ich liebe deine positive Art und warte schon ganz gespannt auf deinen Erfahrungsbericht. Ich glaube, da kann ich viel lernen. Liebste Grüße! Valérie

  2. says: Verena

    Liebe Valérie,
    ich kann Deine Sorgen so gut nachempfinden.❤ Umsomehr freue ich mich, dass Du die OP gut überstanden hast! Ich wünsche Dir von Herzen eine gute und schnelle Genesung!

    Ganz liebe Grüße,
    Verena

  3. says: Annette

    Liebste Valérie!
    Du weißt, wie sehr ich vom ersten Moment an, als mir klar wurde, dass Dir etwas Beängstigendes und auch Gefährliches bevorsteht, an Dich gedacht und mit Dir gelitten habe. Und wie SEHR!!! ich mich über das glückliche Ende freue!!! 🙂 Dein Detailbericht liest sich, wie immer…, ganz wunderbar. Deine Worte erwecken eine Mischung aus schwerem Herzen, Empathie, Sorge, aber auch, wie immer bei Deinen Texten, erfrischendem Schmunzeln, das natürlich jetzt, nach diesem Happy End, umso leichter fällt…!!
    Die Gefahr der Gesichtslähmung war, auch das kann ich ja nun im Nachhinein sagen, tatsächlich akut, denn ich kenne jemanden, dem genau das widerfahren ist… Auch bei der Entfernung eines Tumors aus der Ohrspeicheldrüse… Und das Leben war/ist von Stunde an anders… Was Deine süße kleine Narbe auf Deiner hübschen Nase angeht, so habe ich davon tatsächlich eben erst durch die Verlinkung in Deinem Bericht gelesen, denn bemerkt habe ich diese noch nie… Und, wie unglaublich… (oder eigentlich auch nicht…) – auch hier gibt es bei uns beiden unfassbare Parallelen… Das werde ich allerdings nicht hier, sondern eher in einer PN mit Dir teilen… Jetzt genieß Du erst mal den Verlust des Riesenkürbis von Deiner Seele und gib allem anderen gaaaaanz viel Zeit! Ich drück Dich sehr <3 lich! Annette

    1. says: Life 40up

      Liebe Annette, ich weiß, wir sind irgendwie Seelengeschwister des Unfallschicksals. Der Moment, in dem ich feststellte, dass ich mein Gesicht immer noch bewegen kann, war wirklich unbeschreiblich. Ich hatte eine tolle Chirurgin, die Leiterin des Speicheldrüsenzentrums. Da sie zusätzlich auch kosmetische Operationen durchführt, war ich zweifach in besten Händen. Mir geht es jeden Tag besser, seit ich zuhause bin. Mein Hirn flutet mich gerade mit neuen kreativen Ideen, ich renne nur noch mir dem Notizblock herum. 😉 Aber ich werde alles trotzdem langsam angehen, denn Stress ist meiner Meinung nach Krankheitsauslöser Nr. 1. Danke für deine Anteilnahme und Fürsorge, das hilft mir ganz wunderbar. Dicken Drücker zurück! <3

  4. says: Claudia

    Alles Gute weiterhin für deine Genesung.
    Zum Glück ist es ja gut ausgegangen und du kannst jetzt in Ruhe regenerieren.
    Ich bin schon sehr gespannt auf deine neuen kreativen Ideen und wünsche dir damit viel Erfolg ohne Stress.

    Claudia

    1. says: Life 40up

      Danke für deine liebe Wünsche! Den Stress noch weiter in den Griff zu bekommen, ist eines meiner Ziele. Ich mache langsam und nehme mich die Zeit, die ich eben brauche. Es wird. Liebe Grüße!

  5. says: Anja

    Mensch Valérie – da war ja was los bei dir!
    Ich freue mich, dass alles gut gelaufen ist.
    Bei mir ist es die Schilddrüse, die mir schon mein Leben lang Beschwerden macht…
    ich habe meine Ernährung übrigens auch gerade komplett umgestellt – und esse gerade nach dem Buch von Anthony William – vielleicht ist er ein Stück weit ein „positiver Spinner“, aber die veränderte Ernährung tut mir total gut und ich fühle mich viel fitter seitdem.
    Gute Heilung weiterhin und viele Grüße!
    Anja

    1. says: Life 40up

      Liebe Anja, ich bin überzeugt davon, dass wir vieles bezüglich unserer Gesundheit über die Nahrung regulieren können. Man muss halt nur herausfinden, was für einen selber passt und funktioniert. An diesem Punkt bin ich gerade. Und egal, ob jemand als “positiver Spinner” bezeichnet wird: Wer heilt, hat Recht! 😉 Ich wünsche dir viel Erfolg mit deiner Ernährungsumstellung und werde bestimmt mal “Anthony William” googeln. Liebste Grüße, Valérie

  6. says: Ks

    Letzte Woche habe ich immer wieder vergeblich nach den so liebgewonnenen Montagslachern gesucht und mir echt Sorgen gemacht. Und dann solche Nachrichten – Du Arme! Wunderbar, dass Du in so guten Händen warst und alles gut gegangen ist. Narben sind doch irgendwie die Landkarten unseres Lebens, darauf kann man auch stolz sein, zeigen Sie doch, dass man etwas erlebt hat, überlebt hat… Trage sie wie schönen Schmuck! Gute Erholung weiterhin, ich freue mich wirklich sehr, hier mitlesen zu dürfen!

  7. says: Gabi

    Hallo Valerie
    gut, daß Du nun operiert bist und ich hoffe alles ist in Ordnung. Ich kenne jemanden mit Gesichtsnerv verletzt und all diesen Komplikationen, sie hatte zu lange gewartet – dann wurde alles schwieriger. Liebe Grüße Gabi

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