Susanne Lork

Interview 40up: Vom Käse-Junkie zur Veganerin

Ernährung ist das neue Modethema. Food-Blogs sprießen wie Pilze aus dem Boden und immer mehr Menschen interessieren sich für vegane Ernährung. Galten früher noch Vegetarier als exotisch, so wechseln momentan scheinbar noch mehr Menschen über zum Veganismus.

Susanne Lork ist seit circa einem Jahr Veganerin. Ich kenne sie  schon seit über 10 Jahren – daher hatte ich auch keine Hemmungen, sie endlich mal all das zu fragen, was ich zum Thema vegane Ernährung wissen möchte.

 

Wann und warum hast du angefangen, deine Ernährung umzustellen?

Im Januar 2013, nachdem ich mich fast zwei Jahre lang davor gedrückt habe. Schon seit 20 Jahren esse ich größtenteils vegetarisch, mit ein paar Ausnahmen, wie ab und zu mal Geflügel oder Fisch. Aber ich hab mich immer wieder darüber geärgert, nicht „die Kurve zu kriegen“ um ganz auf Fleisch oder tierische Produkte zu verzichten.

Ich war ein totaler Käse-Junkie und konnte mir ein Leben ohne einfach nicht vorstellen.

Auf der anderen Seite liebe ich Tiere und war quasi mein Leben lang im Tierschutzverein und hab mich für Tierrechte interessiert. Das passte nicht zusammen. Also hab ich mich in den zwei Jahren vor der Umstellung ziemlich viel mit dem Thema „vegan“ beschäftigt. Als ich dann im Sommer 2012 das Buch Anständig Essen: Ein Selbstversuch* von Karin Duve gelesen habe, stand mein Entschluss fest. Jetzt galt es „nur“ noch den richtigen Zeitpunkt für den Umstieg zu finden, denn ich koche ja nicht nur für mich alleine, sondern auch für meinen Freund und der war anfangs alles andere als begeistert von der Idee. Ich hab mir dann das Buch Vegan for Fit. Die Attila Hildmann 30-Tage-Challenge (Diät & Gesundheit)* gekauft, von dem jeder so begeistert war. Und ich muss zugeben, dass es mir sehr geholfen hat, die ersten Hürden zu nehmen. Wir haben unsere Umstellung innerhalb von ca. 5-6 Wochen gemacht, denn Lebensmittel wegschmeißen, die wir noch hatten, wollte ich auch nicht.

Ist vegane Ernährung nicht unheimlich kompliziert und anstrengend?

Das werde ich oft gefragt und genau das dachte ich anfangs auch. Aber es ist so unglaublich leicht und unkompliziert, dass es mir von Anfang an nicht schwergefallen ist, es durchzuziehen. Natürlich sollte man sich vorher über „Ersatz“-Lebensmittel informieren. Ansonsten steht man ständig da und fragt sich „Was nehm ich denn jetzt statt Ei, Käse, Sahne, Milch …?“ Als ich das raus hatte, war es danach so einfach, dass ich mich immer noch ständig frage, wieso ich das nicht schon immer so gemacht habe.

Was isst du zum Frühstück?

Ich frühstücke in der Regel nicht, aber wenn, dann meistens Müsli mit Sojamilch, Nüssen und Beeren. Und ich stehe total auf vegane, selbst gemachte Brotaufstriche wie Guacamole, Auberginen-Creme oder Rote-Bete-Aufstrich. Selbst veganes Zwiebelmett kommt manchmal auf den Tisch. Das sieht so echt aus, dass ich beim ersten Mal wirklich Skrupel hatte, es zu essen, obwohl ich genau wusste, dass es kein Fleisch ist.

Tofu und Gemüse machen vielleicht satt, aber bleibt der Geschmack dabei nicht auf der Strecke?

Mit den richtigen Gewürzen und Soßen schmeckt jedes vegane Gericht, das ist nicht anders als bei Gerichten mit Fleisch. Ich hab schon Gerichte gekocht und Fleischessern vorgesetzt, die haben nicht mal bemerkt, dass Fleisch fehlt, bzw. dass das was sie da grade essen Soja-“Fleisch“ ist. Grade bei so gewürzintensiven Gerichten wie z.B. Chili con Carne oder Bolognese fällt das gar nicht auf. Dabei koche ich jetzt natürlich nicht nur Gerichte nach, die normalerweise Fleisch enthalten. Es gibt so unglaublich viele tolle vegane Gerichte, die kein fleischhaltiges „Gegenstück“ haben und die meisten sind schnell und unkompliziert zu kochen.

Spaghetti mit Schwarzwurzeln und Rucola in Rahmsauce
Spaghetti mit Schwarzwurzeln und Rucola in Rahmsauce
Bildquelle: © Susanne Lork

Ist vegan kochen nicht teuer und aufwendig?

Nein, gar nicht. Ich dachte auch, dass vegan kochen bestimmt wesentlich teurer ist, aber wir haben das ­mal ein paar Monate nachgehalten und verglichen und im Schnitt zahlen wir nun ca. 25% weniger für Nahrungsmittel als vorher und das, obwohl wir jetzt wirklich jeden Tag selber und abwechslungsreicher kochen. Wenn man erst mal eine Grundausstattung an veganen Lebensmitteln, Gewürzen etc. zusammen hat, braucht man nichts zusätzlich, was es nicht auch in jedem Supermarkt gibt. Apropos Supermarkt: Da man getrost 80% aller Regale ignorieren kann, ist man auch mit dem Einkauf schnell fertig.

Was ist das Wichtigste bei der Zubereitung von veganen Gerichten?

Ich würde sagen: Mut zum Würzen! Und zum Experimentieren. Anfangs bin ich zu zurückhaltend mit Gewürzen umgegangen, aber grade Tofu z.B. braucht Würze, ansonsten schmeckt es schnell wie eingeschlafene Füße. Ich mochte Tofu vorher nie, ich fand es langweilig und nichtssagend. Mittlerweile kann ich mir Kochen ohne Tofu gar nicht mehr vorstellen – ich liebe es!

Gibt es überhaupt einen Grund, Fleisch zu essen?

Meiner Meinung nach nicht. Ich kann es mir nicht mehr vorstellen. Klar, es gibt keinen Ersatz, der so schmeckt wie ein gegrilltes Steak, weil nichts genauso schmeckt. Wenn man sich aber erst mal von dem Gedanken verabschiedet hat, etwas zu finden, dass wie Fleisch schmeckt, merkt man, dass Gerichte ohne Fleisch auch super schmecken. Anders, klar, aber eben genauso gut.

Niemals Fleisch, Eier-, Milch- oder tierische Produkte – passiert dir nie ein Ausrutscher?

Ganz ehrlich? Doch, klar! Ich würde jetzt auch nicht behaupten, 100% vegan zu leben, aber darum geht es mir auch gar nicht. Ich mache das, soweit ich das für mich vertreten kann. Ausnahmen sind wirklich Ausnahmen und nicht die Regel. Fleisch esse ich natürlich gar nicht mehr, und wenn die Familie dann am Heiligabend sauer ist, weil man den Lachs nicht isst, muss man halt damit leben. Aber ab und zu (!) ein kleines bisschen Käse (sorry, aber es gibt wirklich keinen veganen Käse, der richtig gut ist) oder ein Stück Apfelkuchen von Mama (in dem mit Sicherheit auch ein Ei drin ist) kann ich mir verzeihen.

Meinen geliebten Latte macchiato im Café bestell ich aber nicht mehr. Das ist schon was, das mir oft fehlt. Beim Ausgehen mal einen guten Kaffee trinken.

Leider ist Sojamilch aber in den meisten Cafés nicht zu bekommen. Dabei kann man mit Sojamilch unglaublich guten Milchschaum machen.

Hast du zusätzlich zur Ernährung auch noch anderes im Leben umgestellt? Zum Beispiel Sport?

Nein, eigentlich nicht. Ich versuche, jetzt regelmäßiger Sport zu machen, aber als Umstellung würd ich das dann doch nicht bezeichnen.

Merkst du Veränderungen, seit du dich vegan ernährst?

Ja, auf jeden Fall! Vor allem gesundheitliche. Ich hatte jahrelange Magen-Darm-Probleme, die ich nicht in den Griff bekommen hab, mein Cholesterin-Spiegel war permanent zu hoch. Seit der Umstellung sind die Magen-Darm-Probleme komplett verschwunden, das ging ziemlich schnell. Nach knapp einem Monat waren die weg und sind nie wiedergekommen. Letzten Monat habe ich bei meinem Hausarzt ein großes Blutbild machen lassen um auszuschließen, dass ich irgendwo einen Mangel habe. Mein Arzt war begeistert! Alle Werte waren mehr als nur gut und mein Cholesterin-Spiegel ist endlich im Normalbereich.

Schon allein aus Gesundheitsgründen würde ich nicht mehr zu einer Ernährung zurückgehen, die tierische Produkte enthält.

Du lebst in einer langjährigen Beziehung. Wie hat Dein Partner auf die Ernährungsumstellung reagiert?

Er war erst sehr skeptisch und konnte sich nicht vorstellen, wie das auf Dauer funktionieren soll. Zum Glück ist er aber auch offen für Neues und hat direkt gesagt, er probiert es aus. Seine Kuhmilch im Kaffee ist geblieben, da er sich mit Sojamilch nicht anfreunden kann, aber ansonsten isst er dasselbe wie ich.

Hättest du ein Problem damit, wenn dein Partner nicht auf Fleisch verzichten wollen würde?

Nein, aber dann müsste er selber kochen. Ich lebe nach dem Motto „leben und leben lassen“, jeder muss selber wissen, was gut ist. Aber meine Prinzipien gebe ich dafür nicht auf. Ich esse kein Fleisch, ich kaufe keins und ich koche keins. Wer bei mir Fleisch haben will, muss sich selber versorgen.

Du bist seit mittlerweile 1 Jahr Veganerin. Hast du seitdem an Gewicht verloren?

Ja, 17 kg! Ich bin immer wieder erstaunt darüber. Ich hab vorher keine einzige Diät durchgehalten. Und nun esse ich mehr als vorher und hab soviel abgenommen. Seit 2-3 Monaten halte ich jetzt mein Gewicht, was glücklicherweise genau meinem Wunschgewicht von 62 kg entspricht. Man kann also abnehmen durch vegane Ernährung.

Nimmst du zusätzlich Vitamine etc. zu dir? Wenn ja, welche?

Ja, Vitamin B12. Das sollte jeder zu sich nehmen, der vegan lebt. Einen Vitamin B12 Mangel hatte ich allerdings schon vor der Ernährungsumstellung. Dass das Vitamin fehlt, hat also nicht unbedingt was mit veganer Ernährung zu tun. Auch mit „normaler“ Ernährung ist man nicht vor Vitamin-Mangel geschützt.

Soja-Frucht-Joghurt mit gepopptem Amaranth
Soja-Frucht-Joghurt mit gepopptem Amaranth
Bildquelle: © Susanne Lork

Wie machst du das, wenn du mal auswärts essen musst?

Tja, das ist leider wirklich ein Problem. Als Vegetarier kommt man ja wirklich gut klar, aber als Veganer hat man leider echt die Arschkarte gezogen. Ich weiß, auf vielen Vegan-Seiten stehen immer tolle Tipps dazu und wo es welche veganen Lokale gibt. Aber ganz ehrlich? Im Normalfall trifft man sich halt dort, wo man sich schon immer getroffen hat und das ist in der Regel eher kein veganer Laden. Der Vorteil ist, man hat die Speisekarte ziemlich schnell durch.

Wie reagiert deine Umwelt darauf, dass du Veganerin bist? Gibt das manchmal Probleme?

Eigentlich nur bei der Familie. Da kommen dann schon auch mal Sprüche wie „stell dich doch nicht so an“, wenn man sich weigert, Fleisch oder Fisch zu essen. Oder „das ist doch nur Fisch, kein Fleisch“. Mittlerweile kocht meine Mama aber sogar mal vegan, wenn wir zum Essen kommen. Alles eine Frage der Gewöhnung, denk ich.

Hast Du nicht manchmal doch Lust auf Burger, Currywurst oder Döner?

Da ich ja schon seit 20 Jahren fast hauptsächlich vegetarisch gegessen hab, fehlt mir das nicht.

Vor den meisten Fleischgerichten ekel ich mich mittlerweile richtig. Das war so ein schleichender Prozess, bis es mir irgendwann mal aufgefallen ist. Aber der Geruch von Brathähnchen ist immer noch toll. Essen würd ich’s aber nicht mehr.

Aber so was wie Heißhunger auf irgendwas hatte ich schon seit einem Jahr nicht mehr. Manchmal denke ich, mein Körper hat einfach alles, was er braucht und deshalb gehören Heißhunger-Attacken der Vergangenheit an.

Hast du eine Buchempfehlung für Veganer-To-Be?

Auf jeden Fall das Buch Anständig Essen: Ein Selbstversuch* von Karin Duve. Das ist großartig! Eigentlich sollte das wirklich jeder mal gelesen haben, egal ob Fleischesser oder Veganer. Ansonsten hat mir das Buch von Attila Hildmann echt geholfen, einen Anfang zu finden. Mittlerweile lese ich aber hauptsächlich Foodblogs, davon gibt es wirklich richtig gute.

Was rätst du jemandem, der mit veganer Ernährung anfangen will?

Einfach anfangen! Klingt blöd, ist aber so. Je länger man drüber nachdenkt ohne es auszuprobieren umso höher scheint die Hürde zu werden. Am Besten setzt ihr euch einen Zeitrahmen, wie z.B. es einfach mal für 4-6 Wochen auszuprobieren. Das ist unverbindlich und setzt einen nicht unter Druck. Mit dem Gedanken „ab jetzt darf ich nie wieder xyz essen, wie soll ich das bloß schaffen?“ kommt man nicht weit. Daher einfach mal testen und dann entscheiden. Oder für den Anfang einfach mal 1-2 Tage in der Woche vegan kochen. Wenn man erst mal merkt, wie leicht und lecker das ist und wie gut man sich damit fühlt, will man von alleine mehr.

Kannst du uns ein einfaches Rezept zum Ausprobieren verraten?

Da ich ein totaler Nudel-Junkie bin, eins meiner absoluten Lieblingsgerichte: Geht schnell, ist total lecker und macht satt.

Vegane Bolognese für 2 Personen:

250 g Spaghetti, natürlich aus 100% Hartweizen
200 g weicher Tofu oder Räuchertofu (wer es gern etwas herzhafter mag)
2 Zwiebeln
1-2 Knoblauchzehen
8 getrocknete Tomaten in Öl
200 g passierte Tomaten
100 g Tomatenmark
1 EL Agavendicksaft
Olivenöl
Oregano
Basilikum
Salz & Pfeffer
optional: Hefeflocken

Zwiebeln und Knoblauchzehen klein hacken und in ca. 5-6 EL Olivenöl andünsten. Agavendicksaft hinzufügen, die Zwiebeln kriegen dadurch ein tolles Aroma. Habt ihr keinen Agavendicksaft zur Hand, einfach weglassen.

In der Zwischenzeit den Tofu mit der Hand zerbröseln. Dafür sollte der Tofu nicht zu fest sein. Ich nehme immer den Alnatura Tofu, der hat eine perfekte Konsistenz. Zu den Zwiebeln hinzufügen. Getrocknete Tomaten (in kleine Stücke geschnitten), 3 gehäufte TL Oregano und 1 TL Basilikum hinzufügen, gut umrühren und ein paar Minuten braten.
Tomatenmark und passierte Tomaten hinzufügen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und alles für ca. 5 min weiterköcheln lassen.

Da die Zubereitung der Soße ca. 10-15 min dauert, könnt ihr zeitgleich die Nudeln kochen.

Ich mische die Soße unter die fertigen Nudeln, ihr könnt sie natürlich auch einfach auf die Nudeln geben, das sieht schöner aus. Ich bestreue meine Nudeln auf dem Teller noch mit Hefeflocken, die passen perfekt dazu und sind ein toller Parmesan-“Ersatz“.

 

Verrätst du noch uns noch Deine veganen Lieblingsblogs?

 

Danke für das Interview, liebe Sue!

 

Wie ernährt ihr euch? Könntet ihr euch vorstellen, vegan zu leben? Hinterlasst mir doch einen Kommentar – ich bin gespannt!

Interview mit Susanne Lork: zur Person

Susanne Lork wurde 1971 in Herne geboren. Seit 1999 betreibt die studierte Grafikdesignerin gemeinsam mit ihrem Lebenspartner das Design- und Multimediabüro Art of Order

 

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4 Comments

  1. says: Yvonne Plötzke

    Endlich mal ein ehrlicher und informativer Artikel!
    Was mir besonders gut gefällt ist, dass ein Rezept verraten wird!
    Davon reden kann ja jeder! Aber so können wir endlich auch mal
    ausprobieren ob der “Veganismus” (heißt das so?) etwas für uns wäre…..

    Liebe Grüße
    Yvonne

  2. says: Sonja Zimmer

    Ein Artikel der mich sehr anspricht. Ich esse seit 11 Jahren vegetarisch und steige jetzt auf vegan um. Also habe vor 2 Wochen damit angefangen. Ich denke, dieses Mal klappt es. Ein Versuch vor ein paar Jahren scheiterte, aber einfach, weil ich mich “anstellte” und wahrscheinlich innerlich noch nicht so weit war. Jetzt bin ich über die “Käse-Phase” hinweg und alles wird gut!
    LG Sonja

    1. says: Life 40up

      Wow, seit 11 Jahren vegetarisch! Dann wünsche ich Dir, dass der Umstieg auf vegane Ernährung reibungslos klappt! Liebste Grüße, Valérie

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