+++ Filmtipp +++ Der kleine Tod. Eine Komödie über Sex

Schon wieder ein Film über Sex?

Ja, genau. Nach 50 Shades of Grey schon wieder ein Film über Sex, aber diesmal ganz anders!

Die französische Redewendung la petite mort (dt. ‘der kleine Tod’) steht zwar für ‘Orgasmus’, dennoch sah ich im gesamten Film Der kleine Tod. Eine Komödie über Sex* weder eine nackte Brust noch einen nackten Hintern. In diesem Film geht es um Normalität, Moral, Monogamie, Beziehungen, Liebe, Betrug und geheime Sehnsüchte. Das ist zum Teil tragisch, komisch, herzersweichend, absurd, skurril und überaus unterhaltend bis zum überraschenden Ende. Aber beginnen wir von vorn…

Die Handlung des australischen Films Der kleine Tod dreht sich um fünf Mittdreißiger-Pärchen, die in einer ganz normalen Vorstadt ihren Mittelklasse-Traum leben. Doch hinter ihrer unaufgeregten Fassade haben diese scheinbar sehr durchschnittlichen Paare sehr ungewöhnliche Fantasien und sexuelle Vorlieben. Haben Sie schon mal von Dacryphilie gehört? Ich nicht. Wenn dann noch ein verurteilter Sexualstraftäter in die Nachbarschaft zieht und sich mit selbst gebackenen Keksen bei seinen Nachbarn vorstellt, dann wird es interessant.

Charaktere & Geheimnisse

Paul & Maeve (Josh Lawson & Bojana Novakovic)

SEXUELLER MASOCHISMUS: Sexuelle Erregung durch Unterwerfung und Schmerz

Paul und Maeve sind ein tadelloses Mittelklasse-Paar: jung, attraktiv, erfolgreich und glücklich – jedenfalls bis Maeve den Mut aufbringt, Paul ihre geheimste sexuelle Fantasie zu offenbaren: Opfer einer Vergewaltigung durch einen Fremden zu werden. Nach anfänglichem Schock versucht Paul, die Fantasie seiner Freundin so gut es geht zu erfüllen. Keine Angst, liebe Leser, es wird nicht so schlimm, wie es sich anhört. Wir befinden uns hier schließlich in einer Komödie!

Phil & Maureen (Alan Dukes & Lisa McCune)

SOMNOPHILIE: Sexuelle Erregung durch das Beobachten einer schlafenden Person

Die Ehe von Phil und Maureen scheint am Ende: durch die Kälte seiner Frau ist Phil nur noch ein Schatten seiner selbst. Intimität gibt es schon lange nicht mehr zwischen den beiden. Eines Abends nimmt Maureen versehentlich eine von Phils Schlaftabletten. Während sie still und friedlich schlummert, verliebt sich Phil wieder neu in seine Ehefrau. Nun, da sie keine Widerrede mehr gibt, kann er ihr sagen, was er ihr sonst nicht sagen kann und ihr wieder nahe kommen. Doch als Phil mehr und mehr süchtig nach seiner „neuen“ Frau wird, geraten die Dinge außer Kontrolle.

Evie & Dan (Kate Mulvany & Damon Herriman)

ROLLENSPIEL ALS FETISCH: Sexuelle Erregung durch das Vorgeben, jemand anderes zu sein

Dan und Evie kämpfen um ihre Ehe. Ein Therapeut schlägt ihnen vor, mithilfe von Rollenspielen ihre Gefühle zu ergründen. Und tatsächlich bringen sie als Arzt und Patientin, Detektiv und Verdächtige neuen Schwung in ihre Beziehung – bis Dan schließlich beginnt, die Sache ein wenig zu ernst zu nehmen.

Rowena & Richard (Kate Box & Patrick Brammall)

DACRYPHILIE: Sexuelle Erregung durch die Beobachtung einer weinenden Person

Rowena und Richard versuchen so verzweifelt, ein Kind zu bekommen, dass ihr Sexleben in eine leidenschaftslose Routine abdriftet. Als Richards Vater unerwartet stirbt, fühlt Rowena eine starke sexuelle Erregung angesichts ihres weinenden Mannes. So wird das Feuer zwischen den beiden neu entfacht und erreicht bisher unbekannte Höhen. Deshalb sucht Rowena nach immer neuen Möglichkeiten, Richard Tränen abzuringen.

Monica & Sam (Erin James & T.J. Power)

TELEFON-SKATOLOGIE: Sexuelle Erregung durch obszöne Telefonate mit Fremden

Monica arbeitet als Dolmetscherin für Gebärdensprache bei einem Telefondienst. Als der charismatische Sam anruft, werden ihre Fähigkeiten auf die Probe gestellt: er möchte, dass Monica für ihn bei einer Sex-Hotline anruft.

Was ist nur aus dem guten alten stinknormalen Sex geworden? Die Leute komplizieren alles mit ihrem kranken Scheiß!

Der kleine Tod ist die erste Regiearbeit von Schauspieler Josh Lawson, der auch den Filmcharakter Paul spielt. Bekanntheit erlangte Lawson durch Rollen in den Will Ferrell-Komödien Die Qual der Wahl, Anchorman 2 und durch die Serie House of Lies.

Lawson lässt die Zuschauer eine breite Gefühlspalette durchleben. Wenn zum Beispiel Paul versucht, die Vergewaltigungsphantasien seiner Freundin zu erfüllen, schwanken wir zwischen Schock und Anerkennung hin und her, und wenn Phil die Hand seiner schlafenden Frau nimmt und zärtlich auf seine Wange legt, möchte man heulen, so schön und seltsam und ergreifend tragisch sind diese Szenen. Lawson schafft hier den seltenen Spagat zwischen Leichtigkeit und Tiefgang, Niveau und derbem Witz.

Natürlich finden sich auch gängige Klischees, wie die Mitarbeiterin der Telefonsex-Hotline, die während ihrer Telefonate die im Rollstuhl sitzende Oma versorgt. Dagegen stehen kuriose, originelle Ideen, wie der von Tür zu Tür ziehende, Plätzchen verteilende Sexualstraftäter, der als “Running Gag” bei jedem einzelnen der Paare an der Tür klingelt, sich als neuer Nachbar vorstellt und so eine Verbindung zwischen den einzelnen Geschichten herstellt. Seine Rolle überrascht ganz besonders, aber hier möchte ich nicht zu viel verraten.

Der Film lebt nicht zuletzt durch die großartige Leistung der zumeist unbekannten Schauspieler. Hier erkennt sich der Zuschauer wieder. Das sind keine schönen, glatten Hollywoodstars, das sind Menschen von nebenan. Unauffällige, harmlos wirkende Charaktere, die uns erkennen lassen, dass im Prinzip jeder Mensch tiefe Geheimnisse und Sehnsüchte hat. Sie stellen unsere Vorstellung von Moralität auf den Kopf gestellt. Alles scheint irgendwie fremd, aber durchaus nachvollziehbar.

Mein Fazit

Wer ein Faible für Skurriles und zugleich zutiefst Menschliches hat und Filme wie Lars und die Frauen (mit unser aller Ryan Gosling) mag, der sollte sich Der kleine Tod unbedingt ansehen. Die Altersfreigabe finde ich mit 12 Jahren etwas niedrig angesetzt, also lassen Sie die Kids lieber zuhause.

Ist dieser Film eine Komödie? Nein, nicht so ganz, aber wahrscheinlich verkauft sich ein Film mit der Bezeichnung Tragikomödie nicht so gut. Ist dieser Film ein Frauenfilm? Nein, nicht nur. Der Film ist partnertauglich, nehmen Sie den Mann also ruhig mit ins Kino. Meiner hat sich köstlich amüsiert und stellenweise haben wir gemeinsam Tränen gelacht und mitgelitten.

Der Dialog aus der Opernszene in Pretty Woman bringt es für mich auf den Punkt:

Did you enjoy the movie, dear?
So that I almost peed my pants!

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