#StelterGate - Verlieren wir gerade unseren Humor und unsere Leichtigkeit?

Verlieren wir gerade unseren Humor und unsere Leichtigkeit? #StelterGate

Es war vor nunmehr zehn Jahren, da stand ich zwecks Hochzeit vor der Wahl meines zukünftigen Nachnamens. Wer  mich schon länger als zehn Jahre kennt, der weiß, dass ich mit Mädchennamen Schmitz hieß. Schmitz heißt im Rheinland so ziemlich jeder Zweite – also ein denkbar unindividueller Name, der noch dazu im kölschen Karneval allzu gerne verwurstet wird. Da gibt es im kölschen Liedgut “de ahl Frau Schmitz” (die alte Frau Schmitz), “de Schmitze Billa” (Sibylle Schmitz) oder “Dem Schmitz sing Frau eß durchgebrannt” (Frau Schmitz hat ihren Gatten verlassen). Und niemand denkt sich was dabei. Ich auch nicht.

In meinen Kleinmädchenträumen hoffte ich dennoch darauf, eines Tages einen Mann zu ehelichen, der einen sehr klangvollen und individuellen Nachnamen trägt. Ich würde dann vielleicht Valérie von Fallois, oder Valérie Belfontaine heißen statt Valérie Schmitz – hach, wäre das schön!

Nun trug es sich aber zu, dass sich Frau Schmitz in einen Mann verliebte, der den klangvollen Namen MÜLLER trug. Von Schmitz zu Müller. Vom regionalen Massennamen zum universellen Massennamen. Schlimmer geht wirklich immer!

Eine kurze Zeitlang überlegte ich ernsthaft, ob es irgendwie witzig wäre, mir einen Doppelnamen zuzulegen. Valérie Schmitz-Müller. Oder Valérie Müller-Schmitz. Ich brachte es aber nicht über mich und entschied mich schließlich für Müller. Der Witz funktioniert nämlich auch ohne Doppelnamen, denn wann immer ich jemanden treffe, der mich noch als Valérie Schmitz kennt, fragt man mich:

Und, wie heißt du jetzt?

Müller.

Hahaha, witzig. Nein, sag mal: “Wie heißt du jetzt?”

Müller.

(hier tosendes Gelächter des Gegenüber einfügen).

Und dann lachen wir alle und freuen uns und niemand ist beleidigt.

#Steltergate – darf man über Doppelnamen lachen?

Nun begab es sich aber, dass anno 2019 während einer KARNEVALSSITZUNG im Kölner Gürzenich eine als lustiger Matrose (oder lustige Kapitänin?) verkleidete Doppelnamen-Dame im Publikum saß. Und das Ungeheuerliche geschah: Bernd Stelter machte einen flachen Doppelnamenwitz über CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, inzwischen offiziell nur noch AKK genannt, da sich fast niemand diesen Namen merken kann.

Besagte lustig gekleidete Dame stürmte das Karnevals-Podium und empörte sich sehr kamerawirksam. Ihre Begründung: „Ich habe selbst einen Doppelnamen und muss das nicht über mich ergehen lassen.“ Seit diesem Vorfall tobt unter dem Stichwort #steltergate bundesweit eine heftige Debatte um Doppelnamen.

Lassen wir uns das noch einmal auf der Zunge zergehen: Eine lustig verkleidete Dame nimmt an einer Kölner KARNEVALSSITZUNG teil und empört sich dann sehr unlustig darüber, dass dort flache Witze gemacht werden. Na prost und Alaaf, oder wie man auf der Sitzung sagen würde: TÄTÄÄÄ, TÄTÄÄÄ, TÄTÄÄÄ.

Kölner Karnevalssitzungen. Definition lt. Wikipedia:

Veranstaltungen, die an Karneval ... stattfinden. Den meistens kostümiert erscheinenden Gästen wird ein buntes Programm aus verschiedenen karnevalistischen Darbietungen geboten: Wortbeiträge, Lieder zum Mitsingen, Musik und Tanzeinlagen. Oder übersetzt: 99,9 Prozent mehr oder minder alkoholbeschwingte, verkleidete fremde Menschen liegen sich in den Armen, schunkeln und singen gemeinsam zu kölschen Liedern, flachen Witzen und deftigen Tanzeinlagen. Die Stellen, an denen gelacht werden soll, sind am TÄTÄÄÄ, TÄTÄÄÄ, TÄTÄÄÄ der Karnevalskapelle leicht zu erkennen.

 

Nur weil Sie beleidigt sind, heißt das nicht, dass Sie Recht haben

Ganz ehrlich? So langsam geht mir die deutsche Lust, sich über alles und jeden zu empören, auf die Nerven. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt, Ironie versteht kaum noch jemand, und wenn doch, dann gerne falsch.

Just because you’re offended, doesn’t mean you’re right (Ricky Gervais, britischer Comedian, Radiomoderator, Schauspieler, Autor, Regisseur und Filmproduzent)

 

https://twitter.com/S04_Till/status/1100795981447266305

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#StelterGate – Empörung ist “In”

Sind wir wirklich auf dem Weg, unseren Humor und unsere Leichtigkeit zu verlieren? Wenn ich ins Kabarett, zur Harald Schmidt Show oder zu einer Karnevalssitzung gehe, dann nehme ich billigend in Kauf, dass dort Witze gemacht werden. Eventuell sogar, dass dort Witze gemacht werden, die politisch inkorrekt sind und die mir nicht alle gefallen. Inzwischen ist es ja schon so weit, dass Menschen beim Lesen oder Hören bestimmter Witze gequält auf ihren Sitzen herumrutschen und sich fragen sich, ob sie lachen dürfen oder nicht. Ich möchte das nicht! Übrigens sehr schön auf den Punkt gebracht von Komedian Chris Tall bei TV Total mit “Darf er das?”.

Es geht inzwischen so weit, dass ich Schwierigkeiten habe, montags einigermaßen lustige Twitterschnipsel zustande zu bringen. Und das alles nur, weil Twitter sich langsam vom Ort des genialen Sprachwitzes zum Empörungs-Forum entwickelt. Langjährige Twitterer empfinden und bedauern das übrigens genauso wie ich.

Neulich postete ich auf Instagram folgende Twitterperle:

 

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Ein Beitrag geteilt von LIFE40UP! by Valérie Müller (@life40up) am

3 Worte. Ein Bild. Ein so genialer Wortwitz auf so kleinem Raum! Meisterlich!

Der erste erhobene Zeigefinger kam prompt per Direktnachricht: Das Wort Lügenpresse dürfe man auf keinen Fall jemals benutzen. NIEMALS! Ich müsse das sofort löschen, sonst Tod, Teufel und ewige Verdammnis. Und ganz ehrlich? Den Teufel werde ich tun!

Ich mag Ironie, ich mag Wortwitz, aber ich mag keinen moralisch erhobenen Finger der Sprachpolizei. Ich schreibe gerne frei von der Leber weg, ich schreibe humorvoll, ironisch, und sehr oft auch selbstironisch. Ich mag mir die Lebensunzufriedenheit anderer einfach nicht zu eigen machen. Ich bin froh, dass ich mit zunehmendem Alter so weit in mir ruhe, dass ich mich nicht mehr über jeden Mist empören muss. Bei vielem sage ich einfach #JucktMichNicht und weiter gehts mit positivem Blick aufs Leben. Ich lache gerne. Und ich lache auch gerne über mich selbst. Wer das nicht kann, der tut mir leid.

Ach, übrigens: Ich darf Doppelnamen lustig finden. Und ich finde, andere dürfen das auch!

Ihre Valérie Müller-Schmitz
aka
Valérie Schmitz-Müller
aka
Valérie Müller
aka
Valérie von Life40up!

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12 Comments

  1. Hallo Valerie, am besten finde ich den Auszucker über die Lügenpresse. Unpackbar, worüber man sich aufregen kann. Liebe Grüße aus Salzburg, Claudia
    PS: Ich hätte mich ja gerne für den klingenden Doppelnamen Braunstein-Olesch entschieden, das war aber vor 34 Jahren nicht möglich. ?

  2. says: Nadja

    Yes!! ?? Ich danke dir von ganzem Herzen für diesen Beitrag! Und ich dachte echt schon, ich sei der letzte Mohikaner ohne den mittlerweile schon berühmten deutschen Stock im Allerwertesten. Ups! ? Schon wieder political incorrectness at its best… ??? #hiersteheichichkannnichtanders ??‍♀️?

  3. Liebe Valerie,
    ich sehe das genauso wie Du, die Idee von Karneval ist es, sich lustig zu machen. Schade finde ich nur, dass ein Komedian wie Stelter nicht in der Lage war, souveräner und vor allem witziger damit umzugehen. Statt die beleidigte Leberwurst zu spielen und sich selbst so ernst zu nehmen, hätte er aus dieser Situation wirklich was machen können…

    Ganz liebe Grüße und ein dreifaches Kölle Alaaf!
    Cerstin zurzeit aka Marie Antoinette, Waldelfe und Zorro

  4. says: Sabine Gimm

    Du sprichst mir aus der Seele liebe Valérie. Ich frage mich, was besagte Dame überhaupt auf der Karnevalsveranstaltung wollte. Schade, dass so viele Menschen ihren Humor anscheinend verloren haben. Ich kann auch nicht über jeden Witz lachen. Aber die Geschmäcker waren schon immer verschieden. Ein bisschen mehr Toleranz könnte nicht schaden. Sonst mutieren wir noch zu humorlosen Deutschen.

    Liebe Grüße Sabine

  5. Ja, schon schlimm, worüber mancheiner sich so aufregt. Denke allerdings, dass es oft persönliche Erfahrungen sind, die manche Menschen bei bestimmten Themen ausflippen lassen. Ich will mich da gar nicht ausnehmen.
    Vielen sieht man allerdings die “deutsche Verkniffenheit” schon an den Gesichtszügen an. Nicht schön, das.

    Habe mich ausgesprochen über die Schilderung bezüglich Deiner Nachnamen amüsiert! Ausgerechnet ein “Müller” musste es sein … herrlich!
    Aber wie sagt man so schön? Namen sind Schall und Rauch …

    Lieben Gruß
    Gunda

  6. says: AlexBlue71

    Sehr schöner Artikel, habe herzlich gelacht und auch mal den Kopf geschüttelt.
    Wer nicht versteht, das das tolle an Fastnacht eben die gewollte politische Unkorrektheit ist, bleibt besser im Keller sitzen.

    Mir selbst hätte übrigens zeitweise folgender Doppelname “passieren” können: “Wagner-Sänger” 🙂

  7. says: Texterella

    hahaha, Müller-Schmitz hätte ich einfach zu gut gefunden. 😀

    (Habe übrigens auch immer auf einen klangvollen Nachnamen gehofft, schließlich hieß meine Oma noch Terragnolo … leider umsonst. Ninja. ;-))

  8. says: Nicole

    Ja, Humor liegt im Auge des betrachters. Und um echten Humor zu haben und zu verstehen, da bedarf es Intelligenz. Ich finde, das merkt man. Interessant ist auch, wenn die Leute bei anderen lachen, es bei sich selbst aber unlustig finden. Ich finde übrigens Müller-Schmitz schon wieder rasant originell. Denn, das ist kreativ ?
    Schönes Wochenende
    Nicole

  9. says: Gabi

    Liebe Valerie
    auch mir schreibst Du aus der Seele. Bei so manchem Doppelnamen frage ich mich häää? warum tut Frau sich das an? Ich lache auch gerne mal über einen doppelbödigen superblöden Witz – auch wenn es andere nicht lustig finden. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Liebe Grüße Gabi

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