Zufällig entdeckten wir bei unseren Weihnachtseinkäufen eine große Weihnachtsbaum-Plantage. Dort kann man sich seinen Weihnachtsbaum selbst aussuchen und dann kommt ein Weihnachtsbaumverkäufer, zückt die Kettensäge und fällt den Baum.
Und so begab es sich, dass der Mann, der Sohn und ich inmitten von Tannenbäumen aller Größen und Formen wandelten und uns fühlten wie Rotkäppchen im Wald, nur ohne bösen Wolf und ohne rotes Käppchen. Doch auf einmal standen wir vor ihm: “Das ist er. Das ist der Weihnachtsbaum der Familie Müller, Kinder”, sagte der Mann.
Ehrfürchtig standen wir vor dem Baum und schauten – nach oben unten, denn wir wollten nur ein kleines Bäumchen. Nun hat der Mann ja seit dem Sommer ein neues Hobby: das Gärtnern. Und so kam er auf eine grandiose Idee: “Wir können den Baum doch ausgraben und nach Weihnachten in den Garten pflanzen.” Von wegen Umweltschutz und Nachhaltigkeit und so. Natürlich hatten wir keinen Spaten dabei und der Weihnachtsbaumverkäufer auch nicht. Eine Kettensäge ja, aber doch keinen Spaten. “Das hat bisher noch nie jemand gewollt, einen Baum ausgraben”, sagte er, und kratzte sich am Kopf. Aber als zukünftige Selbstversorger braucht man ja sowieso einen guten Spaten, also fuhren wir zum nächsten Baumarkt und kauften einen Spaten.
Zurück bei unserem zukünftigen Weihnachtsbaum krempelte der Mann die Ärmel hoch und begann zu graben. Die ersten Spatenstiche zerteilten kraftvoll den regengetränkten, lehmigen Boden, und so grub der Mann und grub und grub und grub … aber der Baum bewegte sich nicht. Schweißtropfen perlten von des Mannes Stirn, also grub der Sohn ein bisschen und ich grub ein bisschen und schließlich grub auch der Weihnachtsbaumverkäufer ein bisschen – der Baum bewegte sich nicht. “Auf so eine Idee ist wirklich noch niemand gekommen”, murmelte er, schüttelte den Kopf, gab uns die Schaufel zurück und ging wieder zu den normalen Kunden, die eine Kettensäge zu schätzen wissen.
Und so verging die Zeit. Jahreszeiten kamen und gingen, der Klimawandel setzte ein, Greta wurde Königin von Deutschland, Dinosaurier starben aus, aber der Mann grub unbeirrt weiter und weiter. Zwischendurch umarmte ich das stachelige Tannenbäumchen und versuchte, es mit meinem ganzen Gewicht aus dem Boden zu ziehen, frei nach Goethes Gedicht vom Fischer: “Halb zog sie ihn, halb sank er hin …”. Doch nichts sank dahin. Vielleicht hatten sich im Boden ein paar Maulwürfe an die Wurzeln gehängt und zogen in die andere Richtung, oder sogar der Teufel selbst, wer weiß das schon? Jedenfalls grub sich der Mann in wilde Ekstase, so wie unsere Vorfahren, die noch in Höhlen lebten und nackt ums Feuer tanzten.
Ab und zu stieß jemand zu uns, um die Verrückten zu sehen, die als Einzige versuchten einen Weihnachtsbaum auszugraben. Vielleicht schickte sie auch der Weihnachtsbaumverkäufer, und vielleicht nahm er sogar Geld für die sonderbare Attraktion, die es nur hier beim ihn gab, ich möchte das nicht ausschließen.
Doch auf einmal gab es einen Ruck, es knackte gewaltig und das widerborstige Bäumchen gab auf und neigte sich zur Seite. Der Mann riss triumphierend die Arme samt Baum in die Luft, so wie einst Rocky alias Sylvester Stallone. Seiner Brust entwich aus dem tiefsten Inneren eine Art tarzanesker Urschrei. Der Mann hat den Feind besiegt, das Mammut erlegt und darf es jetzt in seine Höhle schleifen. Oder ins heimische Wohnzimmer. Sie merken, wir schrammten am Rande des Wahnsinns.
Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, dass der Sohn noch seinen Kindern von dem Tag erzählen wird, als sein Papa in stundenlanger schwerer körperlicher Arbeit schließlich als einziger Mensch in der Stadt ein Weihnachtsbäumchen dem Erdboden entriss.
Wir merken uns das als Lektion für 2020:
Wenn du ein Ziel hast, dann musst du auf dem Weg dorthin vielleicht etwas ziehen und zerren und Schweiß vergießen und unaufhörlich daran arbeiten. Andere werden vielleicht über dich lachen und dich aufgeben. Aber wenn du dranbleibst, dann wird deine Anstrengung auch von Erfolg gekrönt sein. Also bleib dran, ich tue es auch!
Jetzt aber genug der Lebensweisheiten. Ich wünsche euch ein harmonisches Weihnachtsfest mit gutem Essen, lieben Menschen und ganz vielen entspannten Mußestunden. Bleibt gesund und mir gewogen. Wir lesen uns wieder im nächsten Jahr, das wird grandios! Bei einer so schönen Zahl wie 2020 muss das Neue Jahr einfach rund laufen.
Wer nicht bis 2020 auf neue Artikel im Blog warten will, der folge mir auf Instagram, dort geht es locker und entspannt weiter.
Stay strong. Stay healthy. Care for yourself!
HERZLICH LACH…!!
Und wie genau habt Ihr das Bäumchen nebst zweifellos beeindruckendem Wurzelballen dann in der Wohnung aufgestellt? Ein normaler Christbaumständer war damit ja auch hinfällig.. 😉
Lass raten: Diese Aktion wird nun alljährlich aufs Neue zelebriert – dann eben raus aus Eurem Garten, rein in Euren Garten, richtig?
Ich bin ja auch passionierte Gärtnerin – habe mich jedoch, offen gesagt, noch nie damit beschäftigt, ob so ein Tannenbaum das auf Dauer mitmacht oder vielleicht doch irgendwann beleidigt, dass er nie länger als rund 11 Monate seine Ruhe hat, in die Knie geht?
Aber darüber kannst Du uns dann ja über die Jahre auf dem Laufenden halten… 😉
Ich grüße Dich sehr lieb und wünsche Euch weiterhin viel Freude mit Eurem Tannenbaum! 🙂