Diese Worte nahmen mir die Angst vor dem Tod

Stell dir vor du wachst auf und bist tot! Bisher mochte ich mich mit dem Thema Tod nicht so richtig befassen. Und dann passierte das ...

Stell dir vor du wachst auf und bist tot!

Ja, ich weiß, dieser Fall tritt höchstwahrscheinlich sehr selten ein, es sei denn, ein Vampir beißt dich. Aber der Oktober ist genau der richtige Monat, um sich über den Tod Gedanken zu machen. Die Blätter verwelken und fallen, mystische Nebel wallen, kühler weht der Wind (na, wer erkennt das Volkslied?) Der Oktober hat halt etwas Morbides an sich, und dann ist da auch noch Halloween mit seinen Monstern und Vampiren … aber ich schweife ab.

Der Tod ist ein Thema, mit dem man sich nicht so gerne beschäftigt. Vielleicht weil niemand so genau weiß, was im Augenblick des Todes und danach wirklich passiert. Das ist wie mit dem Glas das halb voll ist, oder halb leer. Je nachdem, ob man ein Optimist oder ein Pessimist ist. Die einen denken das wars dann. Ende aus Mickimaus. Beim Tod gehen die Lichter aus und danach ist NICHTS mehr. Die anderen glauben vielleicht an Wiedergeburt, den Himmel, die Hölle oder wer weiß was.

Bisher hörte sich keine der gängigen “Was kommt nach dem Tod”-Szenarien besonders tröstlich für mich an. Ich mochte mich mit dem Thema nicht so richtig beschäftigen. Und dann kam diese Serie.

Eine stinknormale Netflixserie über eine isolierte Inselgemeinschaft, die nach der Ankunft eines mysteriösen Priesters übernatürliche Ereignisse erlebt. Und in dieser Serie gibt es zwei Szenen, die mich besonders berührten. Einen Dialog zwischen einen Mann und einer Frau, die sich einst liebten. Jeder schildert in diesem Gespräch, wie er sich den Tod vorstellt. Und die Erinnerung an dieses Gespräch kommt zurück, während die Frau im Sterben liegt. Und während sie stirbt schildert sie all ihre Gedanken und Empfindungen und was mit ihrem Körper geschieht.

Ich hörte diese Worte, und sie waren so friedlich, so tröstlich und gleichzeitig so logisch. Und in mir war Freude. Und Erkennen und Erinnerung und Gänsehaut. Und während ich diese Worte hörte hatte ich plötzlich keine Angst mehr vor dem Sterben weil alles so friedlich und tröstlich und schön war und eins mit allem.

Das sind Worte, wie ich sie auf (m)einer Beerdigung hören möchte.

Versteht mich nicht falsch, mir geht es gut und ich hoffe noch verdammt lange zu leben. Aber sollte ich dem Tod begegnen, dann würde ich gerne genau diese Worte erinnern.

Verdammt, Oktober! Was bist du bloß für ein seltsamer Monat!

 

Wenn wir sterben. Was passiert dann?

Sprich für dich selbst.

Mich selbst? Das ist das Problem. Das ist das große Problem an der ganzen Sache. Dieses Wort. Selbst. Das ist nicht das Wort. Das ist nicht richtig. Das ist nicht …

Wie konnte ich das vergessen? Wann habe ich das vergessen?

Der Körper stoppt eine Zelle nach der anderen. Aber das Gehirn feuert weiter diese Neuronen ab. Kleine Blitzstrahlen wie ein Feuerwerk im Inneren. Und ich dachte ich würde Verzweiflung oder Angst verspüren. Aber ich fühle nichts davon. Nichts. Weil ich zu beschäftigt bin. In diesem Moment bin ich zu beschäftigt mit Erinnerungen. Natürlich.

Ich erinnere mich, dass jedes Atom in meinem Körper in einem Stern geschmiedet wurde. Diese Materie, dieser Körper, ist letztendlich überwiegend nur leerer Raum. Und feste Materie, das ist nur Energie, die sehr langsam vibriert.

Es gibt kein Ich. Das gab es nie. Die Elektronen meines Körpers verteilen sich und tanzen mit den Elektronen des Bodens unter mir und mit der Luft, die ich nicht länger atme.

Und ich erinnere mich: Es gibt keinen Punkt wo all das endet und ich anfange. Ich erinnere mich. Ich bin Energie, nicht Gedächtnis, nicht Selbst. Mein Name, meine Persönlichkeit, meine Entscheidungen, das kam alles nach mir. Ich war vor ihnen und ich werde danach sein. Alles andere sind Bilder, die auf dem Weg entstanden sind. Vergängliche, kleine Kurzträume die auf das Gewebe meines sterbenden Hirns gedruckt wurden.

Und ich, in die Blitze die dazwischen zucken, ich bin die Energie, die die Neuronen feuert und ich kehre zurück. Nur durch Erinnerungen kehre ich nach Hause zurück.

Und es ist, als würde ein Wassertropfen zurück ins Meer fallen. Von dem er immer ein Teil war. Alle Dinge – ein Teil! Alle von uns – ein Teil! Du, ich, und meine kleine Tochter. Meine Mutter und mein Vater. Alle die jemals waren. Jede Pflanze, jedes Tier, jedes Atom, jeder Stern, jede Galaxie. Alles. Es gibt mehr Galaxien im Universum als Sandkörner am Strand. Und das meinen wir damit, wenn wir Gott sagen. Das Eine. Der Kosmos. Und seine endlosen Träume. Wir sind der Kosmos, der von sich selbst träumt. Es ist einfach ein Traum, den ich für mein Leben halte. Jedesmal.

Aber ich vergesse ihn. So wie immer. Ich vergesse meine Träume immer.

Aber jetzt, in dem Bruchteil dieser Sekunde, im dem Moment, in dem ich mich erinnere, in dem Augenblick, in dem ich mich erinnere, verstehe ich alles zugleich.

Es gibt keine Zeit.

Es gibt keinen Tod.

Das Leben ist ein Traum.

Ein Wunsch, der wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder unendlich oft gewünscht wird. Und ich bin alles davon.

Ich bin alles.

Ich bin alle.

Ich bin, dass ich bin.

(Midnight Mass. Staffel 1. Folge 7. Buch VII: Offenbarung)

Wie denkt ihr über den Tod und wie empfindet ihr diese Worte? Schreibt eure Gedanken in die Kommentare.

 

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Die Serie Midnight Mass könnt ihr zurzeit auf Netflix sehen. Hier gehts zur Serie.

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5 Comments

  1. says: Gabi

    Grüß`Dich Valerié
    ja der Tod ist ein unbeliebtes Thema obwohl er uns Alle betrifft irgendwann. Niemand will was darüber hören oder geschweige den reden. Es kommt auch darauf an, wie weit man im Leben schon damit zu tun hatte und man sich generell mit der Endlichkeit auseinandersetzt.

    Mit dem zitierten Text kann ich wenig anfangen – ehrlich gesagt. Unvorstellbar (haha) dass die Welt ohne mich existieren könnte.

    Wenn mir jemand sagt er/sie fürchtet sich vor dem sterben, dann sage ich meist – wenn Du schläfst weißt Du auch nicht bewußt daß Du schläfst – und wärst Du heute Nacht gestorben wüßtest Du es auch nicht. Wachst auf und bist Tod. Natürlich ist das scherzhaft gemeint…
    Mein eigenes Ableben beschäftigt mich wenig – anders ist es wenn Menschen sterben, die man gern hat, mit denen man verbunden war, die man kannte. Bei alten Menschen weiß man es kommt die Zeit – trifft es jemand der jung ist – da ist man sprachlos und versteht gar nichts mehr.

    Diese Entgültigkeit ist generell schwer zu begreifen und zu akzeptieren.

    Würden sich mehr Menschen vor Augen halten daß wir hier nur nur zu Besuch sind auf dieser Welt und man sich nichts mitnehmen kann würde die Gesellschaft vielleicht anders aussehen. Auf alle Fälle
    wünsche ich Dir ein langes gesundes Leben ….liebe Grüße Gabi von lovemylife

  2. says: Katrin

    Liebe Valerie, kurz bevor ich Deinen Text gelesen habe kam mir diese Seite/App über den Weg https://www.koerber-stiftung.de/der-letzte-tag-neue-web-app-zum-thema-tod-ist-online-2449 Das finde ich ein spannendes Projekt. Bei mir sind es im Moment die Eltern, die plötzlich „alt“ sind und sich dem Thema selbst nähern – etwas, das ich nicht wahrhaben will. Aber vielleicht ist das ja echt ein Ansatz, sich mal damit zu beschäftigen. Meine Oma hat damals 10 Jahre vor ihrem Tod ihre Beerdigung bezahlt und einen Rahmen gesteckt, wie die aussehen soll. Verrückt fand ich das als junge Frau aber eigentlich sehr schlau. Dennoch wünsche ich Dir ein langes Leben voller schöner Blog-Ideen!

  3. says: Frank

    Hallo Valérie,

    zunächst einmal vielen Dank für die Wiedergabe des Textes und für den Link zur Audiodatei. Über die Eingabe einer Textpassage in einer Suchmaschine bin ich auf Deine Seite gestoßen.
    Ich hatte ganz ähnliche Gefühle wie die von Dir beschriebenen, als ich die letzte Folge der Serie sah. Ist es nicht erstaunlich, welche Implikationen die Erkenntnisse der Quantenphysik für die Vorstellung vom Leben (und eben auch vom Sterben) aufweisen? Zum Thema hätte ich übrigens einen Buchtipp: “Helgoland (Wie die Quantentheorie unsere Welt veändert)” von Carlo Rivelli. Dort findet sich auch dieses Zitat aus Shakespeares “The Tempest”:
    “we are such stuff as dreams are made on and our little life is rounded with a sleep”
    Das versöhnt – auf ähnliche Weise – auch ein wenig mit dem Tod, finde ich. Und das Leben kann ja auch wirklich traumhaft sein.

    Viele Grüße
    Frank

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