Paul ist tot. Witwengeschichten

Buch-Rezension: Paul ist tot

Wenn das Unvorstellbare passiert

Wenn eine Partnerschaft mit der Trennung endet, so ist das meist ein sehr trauriges Erlebnis. Aber was, wenn die Partnerschaft durch den Tod des Partners endet?

Ich habe länger überlegt, ob ich das Buch Paul ist tot. Witwengeschichten* hier im Blog vorstellen soll. Das Thema Tod ist unangenehm. Niemand denkt gerne über den Tod nach. Und dieser Blog trägt den Untertitel “Für lebenslustige Frauen und Männer”. Aber ist es nicht so, dass man auch die Schattenseiten kennen muss, um das Leben genießen zu können? Um all das Schöne würdigen zu können, das man in seinem Leben erlebt?

Abschied, Trauer, Trennung und Verlust sind Begriffe, die gesellschaftlich negativ besetzt sind, man vermeidet sie (Regine Schneider, Paul ist tot. Witwengeschichten, S. 202)

“Witwen, das sind doch alles ältere Frauen, das betrifft mich doch nicht”, werden Sie vielleicht sagen. Der Tod des Partners ist etwas Unvorstellbares. Man möchte sich das nicht vorstellen. Niemals. Schon der Gedanke an eine “normale” Trennung ist furchtbar. Damit befasst man sich am besten gar nicht erst. Man schiebt das Thema von sich, bis man schließlich selber betroffen ist. Oder die Eltern. Oder Freunde.

Es werden übrigens doppelt so viele Paare vom Tod geschieden wie vom Scheidungsrichter. In Deutschland leben derzeit circa 5 Millionen Witwen. Und betroffen sein kann jeder, egal, wie alt er ist.

In Regine Schneiders Buch Paul ist tot. Witwengeschichten** kommen 25 Frauen aller Altersgruppen zu Wort. Sie erzählen vom Tod des Partners, ihren Erlebnissen mit Bestattern, von den Reaktionen der Mitmenschen und über den Umgang mit der Trauer. Die Reaktionen der Betroffenen sind zutiefst menschlich: herzergreifend, deprimierend…

Was bleibt, ist Ambivalenz. Trauer, Schmerz, aber auch Erleichterung und ein ganz neues Gefühl von Freiheit (Regine Schneider, Paul ist tot. Witwengeschichten, S. 21)

… aber auch ziemlich schräg, kurios, böse und makaber:

Nun war ich ihn endgültig los, diesen garstigen kleinen Bären, der mich tyrannisiert und meine Gefühle verletzt hatte. … Ich betrachtete ihn, wie man ein totes Meerschweinchen betrachten würde. Oder eine tote Ratte. Keine Träne wollte kommen. Auch kein Hass. Dafür ein Gefühl der Erleichterung (Regine Schneider, Paul ist tot. Witwengeschichten, S. 27)

Tod, Trauer und Organisatorisches

Für die meisten Frauen ist der Tod des Partners ein Schock. Daneben wirft er aber auch ganz eigene Fragen auf: Wen muss ich jetzt anrufen? Die Polizei? Den Hausarzt? Welchen Bestatter wähle ich aus? Wie kann ich alleine weiterleben? Schaffe ich einen Neuanfang?

Regine Schneider schildert nicht nur 25 Witwenschicksale, sondern informiert in Zwischenkapiteln über all die Dinge rund um das Tabuthema Tod, mit denen man sich vorab für gewöhnlich nicht befasst, zum Beispiel:

  • Bestattungskultur im Wandel
    Wussten Sie zum Beispiel, dass man Bleistifte aus der Asche der Verstorbenen herstellen lassen oder ein Feuerwerk mit der Asche veranstalten kann? Haben Sie schon einmal von einer Weltraum- oder Ballonbestattung gehört? Sehen Sie, ich auch nicht.
  • Trauerphasen
  • Letzte Station Hospiz
  • Die Alzheimer-Krankheit
  • Trauerreisen
    Auch das war mir neu: Es gibt Reiseveranstalter, die Reisen für Trauernde anbieten. Infos zum Beispiel unter Reise ins Leben oder Regen-Bogen-Reisen
  • Polizei und Todesfall
  • Umgang mit dem nahen Tod
  • Abschied zu Lebzeiten
  • Aufgaben der Palliativmedizin
    “Palliativmediziner dürfen auf ausdrücklichen Wunsch Todkranken schmerzlindernde Mittel in der nötigen Menge geben, auch wenn dies deren Leben verkürzen kann. Die Leidenslinderung hat Vorrang vor der Ausschöpfung der möglichen Lebensspane. … ” (Regine Schneider: Ich möchte sterben, wie ich gelebt habe, S. 37)

 

Strategien für den Neustart

Der Partner geht, aber das Leben geht weiter. Das Buch erzählt von ganz unterschiedlichen Strategien, um mit dem Schmerz fertig zu werden. Ob man nun als Granny Au-pair ins Ausland geht, ob man sich einer Osteoporose-Aerobic-Gruppe anschließt oder über ein spirituelles Medium versucht, Kontakt mit dem Toten aufzunehmen – alles ist möglich und jeder muss seinen eigenen Weg finden.

Ich brauchte eine komplett neue Umgebung. Ganz in Weiß. Ganz nach meinem Geschmack. … Ich brauchte einen kompletten Neustart (Regine Schneider, Paul ist tot. Witwengeschichten, S. 108)

Sollte man dieses Buch lesen? Ich finde: ja!

Was hat dieses Buch bei mir bewirkt? Ich habe Dinge rund um das Thema Tod erfahren, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich war gleichzeitig traurig, amüsiert und gerührt von den Schicksalen und Informationen, die mir dieses Buch gegeben hat. Wenn Sie also direkt oder indirekt vom Thema “Tod des Partners” betroffen sind, oder jemanden trösten möchten, der von dem Thema betroffen ist, dann ist dieses Buch genau das Richtige für Sie.

Regine Schneider
Paul ist tot. Witwengeschichten**
Sachbuch, 237 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-95510-057-5

Die Autorin: Regine Schneider, 1952 in Bochum geboren, studierte Publizistik und Soziologie an der Ruhruniversität. Sie war lange bei Tageszeitungen und Zeitschriften Redakteurin (WAZ, Brigitte), Ressortleiterin (Woman) und Chefredakteurin (Rubin, Junge Familie). Sie hat zahlreiche erfolgreiche Sachbücher veröffentlicht und lebt seit 25 Jahren in Hamburg.

 

*Buch und Foto wurden mir freundlicherweise vom Osburg Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt meine eigene.

** Affiliate Link

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2 Comments

  1. Guten Morgen Valérie,
    schön, dass Du jetzt auch auf Ü30 Blogger zu finden bist.
    Danke für die gelungene Buchrezession.
    Bei uns war es nicht Paul, der gestorben ist, sondern die Eleonore.
    Schlimmer als der Verlust meiner eigenen Mutter, war für mich der auch für mich körperlich spürbare Schmerz meines Vater über den plötzlichen und unerwarteten Tod seiner über alles geliebten Frau.
    Es war anfänglich wirklich hart mit und für ihn, er war absolut überfordert und orientierungslos. Aber er ist ein Kämpfer, er hat einen neuen Weg eingeschlagen und fühlt sich darauf jetzt sehr wohl.
    Komm gut durch den Freitag
    Sunny

    1. says: Life 40up

      Liebe Sunny,

      danke, dass du mit uns teilst, wie dein Vater dieses schreckliche Erlebnis gefühlt und bewältigt hat. Hier muss jeder seinen eigenen Weg finden – nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch das persönliche Umfeld. Das Buch hat bei mir sehr viel Verstehen und Verständnis geweckt. Ich empfehle es jedem, der direkt oder indirekt betroffen ist.

      Ich wünsche Dir ein sonniges und harmonisches Wochenende!
      Valérie

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