{Reklame}
Ein Augenblick machte aus „Natürlich bin ich schön!“ „Ich bin nicht schön!“
Meine Erinnerungen daran sind nur noch bruchstückhaft und verschwommen. Ich spielte im Hof meiner Oma mit meinen Cousinen und wollte ins Haus gehen, zum Kaffeetrinken. Drei kleine graue Steinstufen führten zur Haustür. Auf der obersten Stufe stand der Irish Setter, mit dem ich quasi aufgewachsen war. Und dann geschah alles wie in Zeitlupe. Meine Hand näherte sich dem Türknauf und der Hund schnellte herum. Ich hörte die Schreie meiner Cousine und dann sah ich das Blut. Das viele Blut. Es lief über mein Gesicht, durchweichte mein T-Shirt und tropfte auf meine Schuhe. Einen Moment lang war ich wie erstarrt und spürte nichts. Dann kam das Entsetzen und dann hörte ich mich selbst schreien.
Die Erwachsenen stürzten nach draußen und reichten mir ein Handtuch, es war grau mit kleinen roten und blauen Kästchen. Ich weiß noch, dass sich mir das Muster einprägte. War es das passende Muster für so viel Blut? Ich war mir nicht ganz sicher.
Dann schnappten mich meine Eltern und fuhren unter Missachtung aller Verkehrsregeln mit mir zum Krankenhaus. Das Kästchenmuster des Handtuchs war inzwischen durchtränkt von Blut und fast nicht mehr zu erkennen. Ich erinnere mich an keinen Schmerz. Nur an den Schreck, die Panik und das Entsetzen der anderen. So ein Schock ist eine sinnvolle Einrichtung des Körpers.
Der Hund hatte meine Nase erwischt. Im OP klebten die Ärzte die Wunde, und mir, dem wilden, fröhlichen Kind, wurde strengste Ruhe verordnet. Kein Toben, kein Spielen, kein Sport bis der Kleber entfernt wird. Doch dazu sollte es nicht kommen. Tage später hatte sich die Wunde infiziert und meine Eltern eilten mit mir – erneut unter Missachtung aller Verkehrsregeln – in die Uni-Klinik nach Köln. Man reichte mich sofort an den leitenden Professor der Plastischen Chirurgie weiter. Der schlug die Hände über dem Kopf zusammen: „Wie kann man denn nur so eine Wunde kleben? Sie muss sofort in den OP!“
Einen Tag später, und er hätte wohl nicht mehr viel machen können, sagte der Professor. Ich hörte noch Wortfetzen wie „später mal korrigieren“ und „eventuell abschleifen“. Ich durfte nicht weinen, als die Wunde genäht wurde, und später auch nicht, damit die Nähte nicht aufgehen. Und wieder musste ich absolute Ruhe bewahren. Ich war 10 Jahre alt.
Später, wieder in der Grundschule, musste ich mit der genähten Nase die Pausen im Kopierraum des Hausmeisters verbringen. Ich sollte nicht mit den anderen Kindern herumtoben. Immerhin durfte ich die Kurbel des Kopierers drehen, das war toll. Ich drehte und drehte, während der Kopierer Blatt um Blatt mit lilafarbener Schrift ausspuckte. Der Raum roch etwas alkoholisch nach frisch bedrucktem Papier.
Der Moment, der mich offiziell zum hässlichen Entlein machte
Ich erhielt Schmerzensgeld für den Hundebiss. Die offizielle Begründung lautete:
Verminderte Heiratschancen
Und genau in diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich ab jetzt offiziell nicht mehr hübsch bin. Die Narbe auf meiner Nase, dieses kleine, rote Kreuz, brannte es in mein Unterbewusstsein: „Du bist nicht schön!“ Ich hatte es sogar schriftlich. Der dunkelste Tag meiner ansonsten sehr glücklichen Kindheit.
Ich wurde zum Teenager und ging in die Tanzschule. Ich traute mich nicht den Jungen anzusprechen, den ich wirklich nett fand. Schließlich war ich nicht so attraktiv wie die anderen Mädchen. An der Uni ging ich mit Typen aus, die zwar nett waren, mir aber nicht wirklich gefielen. Ich war ja nicht attraktiv genug um mit dem Jungen zu flirten, der mir wirklich gefiel. Dieses Muster sollte sich lange wiederholen. Ich steckte mich selbst in die Schublade „Du bist nicht schön“, und bemerkte gar nicht, dass andere das scheinbar ganz anders sahen …
Irgendwann sah ich die Narbe in meinem Gesicht schließlich nicht mehr. Sie war noch da, aber Ich hatte mich daran gewöhnt, sie gehörte zu mir. Ich versöhnte mich mit meinem Aussehen.
Die späte Erkenntnis: Ich war immer schön!
Mit Anfang 30 fielen mir Fotos aus meiner Studienzeit in die Hände. Ich arbeitete damals nebenbei als Messehostess, verdiente mir Geld für das Studium dazu. Ich sah eine schöne, junge Frau: langes glänzendes Haar, strahlende Augen und ein glückliches Lächeln. Ich erkannte, dass ich schön war, und es damals einfach nicht sehen konnte. Und ich weinte ein bisschen um mein junges Ich, das sich all die Jahre nicht als schön annehmen konnte. Um seine verlorene Unbefangenheit und das angeknackste Selbstbewusstsein.
Und dann beschloss ich, dass jetzt Schluss ist mit Selbstzweifeln:
Natürlich bin ich schön!
Ich begann mein Äußeres zu pflegen und liebevoll in Szene zu setzen. Ich kleidete mich modisch, schminkte mich typgerecht, ging aufrecht und nahm mich so an, wie ich bin. Und ich nahm mir vor: Sollte ich jemals ein Kind haben, dann werde ich ihm sagen, dass es schön ist. Oder noch besser, ich werde ihm genau sagen, WAS an ihm schön ist. Und ich werde es lehren, dass Schönheit nichts ist, worauf man sich etwas einbilden kann, denn:
Schönheit ist kein Verdienst
Schönheit ist ein Geschenk. Und Schönheit ist ein Gefühl. Ein Lebensgefühl. Schöne Menschen leben leichter, sie haben die bessere Chance auf einen positiven ersten Eindruck. Der Mensch ist nun einmal ein optisches Wesen, auch wenn das ungerecht ist. Und ich würde meinem Kind sagen, dass Schönheit nichts wert ist, wenn das Wesen des Menschen hässlich ist. Ein hässlicher Mensch kann zum schönsten Mensch der Welt werden, allein durch seine Güte, seine Menschen- und Selbstliebe. Und der schönste Mensch auf Erden wird zur hässlichen Fratze durch Eitelkeit, Überheblichkeit und Narzissmus. Und ein schöner Mensch kann nie wirklich schön sein, wenn er sich selbst nicht als schön empfindet.
Und darum, liebe Eltern, sagt euren Kindern: „Natürlich bist du schön!“ Macht Ihnen das Geschenk, sich selbst schön zu fühlen und unbeschwert durchs Leben zu gehen. Es ist sehr wichtig, ich habe das für Sie getestet.
Inzwischen haben wir einen entzückenden kleinen Sohn. Und raten Sie, was ich zu ihm sage, wenn er auf meinem Schoß sitzt, sein Köpfchen an meine Brust gelehnt: „Mein Schatz, du bist ein wunderschöner kleiner Mensch.“
Das Happy End: „Natürlich bin ich schön!“
Sie werden es nicht glauben, aber trotz verminderter Heiratschancen habe ich den Mann fürs Leben gefunden. Mit 40! Seitdem finde ich mich noch schöner. Ich erlebe die glücklichste Zeit meines Lebens und ich bin einfach tief in mir und mit mir zufrieden. Die „Ich bin nicht schön“-Schublade habe ich gedanklich zertrümmert und durch ein „Natürlich bin ich schön“ Schatzkästchen ersetzt.
Würde heute jemand zu mir sagen: Dieses und jenes solltest du vielleicht an deinem Aussehen ändern, dann würde ich sagen: Geh zum Teufel!
Wer mich nicht akzeptiert, so wie ich bin, den brauche ich nicht in meinem Leben. Ich muss nur einem Menschen auf dieser Welt gefallen: Mir selbst!
Und meine Narbe? Es gibt Tage, da fällt mir die Narbe auf meiner Nase wieder auf. Wenn ich besonders müde bin oder sehr aufgeregt. Dann fahre ich liebevoll mit dem Finger über das kleine Kreuz, lächle und denke: „Du hast mich stark gemacht, und du hast mich schön gemacht“. Es hat nur 40 Jahre gedauert, das zu erkennen.
Weißt du denn gar nicht wie schön du bist?
Mit all deinen Farben
Und deinen Narben
Hintern den Mauern
Ja ich seh dich
Lass dir nichts sagen
Nein, lass dir nichts sagen
Weißt du denn gar nicht
Wie schön du bist?
(Sarah Connor)
Dieser Beitrag entstand im Rahmen der wunderbaren Silicea Kampagne „Natürlich sind wir schön!“
Hier lesen Sie mein Interview zum Thema Schönheit: Was ist für mich Schönheit? Was finde ich an andere Frauen schön? Welchen Tipp habe ich für Frauen, die sich selbst nicht als schön empfinden? Lesen Sie mal rein… Bitte hier entlang!
Wissen Sie eigentlich, Wie schön Sie sind?
Sie lasen einen Beitrag der Reihe die es mir ermöglicht, diesen Blog zu betreiben. Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit Silicea. Meine Meinung beeinflusst das nicht, die bilde ich mir stets frei und ohne inhaltliche Einflussnahme des Kooperationspartners.
puh!
mir dreht sich noch im nachhinein das herz im leibe wenn ich lese wie viele jahre du dich selbst gedemütigt hast. und dabei bist du wirklich schön, warst es immer – sogar als kind mit frischoperierter nase – diese augen, die rosenwangen und der süsse mund!
haben denn deine eltern dir nie gesagt dass du schön bist – narbe hin oder her? ich fasse es kaum….
aber für ein happy end ist es nie zuspät – wie man hier gut sehen kann kann!
xxxxx
Liebe Beate,
du bist ein sehr mitfühlender Mensch, das finde ich sehr sympathisch! Du wirst lachen, ich war nie unglücklich – weder als Kind, noch später als junge Frau. Mir war nicht wirklich bewusst, was sich da in meinem Unterbewusstsein verankert hatte, und wie sehr es mein Selbstwertgefühl beeinflusst. Von Selbstdemütigung würde ich daher nicht sprechen. Meine Eltern waren immer wunderbar. Natürlich haben Sie mir gesagt, dass ich schön bin, und sie haben mich mit Ihrer Liebe und Fürsorge auch immer unterstützt und getragen – sonst hätte dieser Artikel wohl kein Happy End ;-). Aber es von jemandem zu hören und es dann auch so zu empfinden, das sind 2 Paar Schuhe. Ich hörte die Worte, aber ich empfand in meinem Inneren nicht so. Aber es ist nie zu spät für eine Einsicht – und ein Happy End! Ich danke Dir für deine lieben Worte! xxx Valérie
Ein wunderbarer Beitrag, ich habe jeden Absatz, jedes Wort verschlungen!
Herzliche Grüße … Frauke
Das ist ein wunderschönes Lob, liebe Frauke. Ich danke Dir! 🙂
Mit knapp 6 fiel ich durch die Balkontür (wobei ich erstaunlicherweise nur 1 Scheibe der Doppelverglasung zerlegt habe, sonst hätte ich mich vermutlich geköpft…) und freundlicherweise hat der operierende alte Chefarzt keine Hauttransplantation vom Oberschenkel durchgeführt, wie man das nach der langen Zeit, die es brauchte, bis ich endlich im KH waren, eigentlich hätte machen müssen. Kein kariertes Handtuch, aber eine frisch gebügelte Serviette… Und dann 13 Stiche an der Wange, ich musste im Bett festgebunden werden, damit ich das nicht nachts wieder aufkratze und das Akzeptieren der Narbe hat sehr lange gedauert. Mittlerweile haben sich diverse andere Fältchen dazugesellt und es fällt kaum auf – so wie auch Deine Narbe nicht erkennbar ist, auf den vielen schönen Fotos. Aber ich kann gut verstehen, wie so eine Verletzung innen viel tiefer sitzt und dass es sehr lange dauert, sich damit wirklich auszusöhnen…
??? Oh wie furchtbar! Durch eine Glasscheibe bin ich auch schon gesprungen. Wir waren wohl wilde Kinder… Alles Liebe für Dich! ?
Hallo Valérie, sehr schöner Beitrag. Ich finde, wir Frauen sollten uns nicht ständig über unser Äußeres identifizieren. Wir haben viel mehr zu bieten und sollten uns immer über unsere Stärke und Einzigartigkeit bewusst sein.
P.S. Ich habe meine große Liebe mit 42 kennengelernt!
Viele Grüße
von
Hanuki
Liebe Hanuki, leider definieren ja nicht nur wir uns über unser Aussehen – die anderen tun das leider auch – und das macht die Sache so kompliziert ;-). Und hey, Glückwunsch zur Liebe mit 42! 😀
Ich hab jetzt feuchte Augen… und ein pochendes Herz! Ein wunderwundervoller Beitrag!!!
Als ich oben anfing zu lesen, Deine Bilder sah, hab ich gedacht, klar, ist sie schön! Du könntest die dunkle Variante meiner Exschwägerin sein, der Du wirklich verteufelt ähnlich siehst und die ich immer als unsagbar tolle Frau empfunden habe 🙂 Und dann las ich weiter und es tat mir so unsagbar leid, was manche Leute unbedacht anrichten können! Umso schöner (das Wort sollte man viel häufiger nutzen!) ist Deine ganz eigene Entwicklung und Deine Erkenntnis! Ein Traum! Und ich wünsche auch vielen Menschen, dass sie sich selbst auch lieben lernen!
Und das hier:
“Wer mich nicht akzeptiert, so wie ich bin, den brauche ich nicht in meinem Leben. Ich muss nur einem Menschen auf dieser Welt gefallen: Mir selbst!”
kann ich nur so unterschreiben. Das hat mir eine Therapeutin in einer ganz schlimmen Zeit meines Lebens auch sanft eingehämmert und sie hat so recht 🙂
Wenn ich könnte, würde ich Dich jetzt gerne drücken und wünsch Dir weiterhin alles Glück der Welt!
Liebst
Bine
Liebe Bine, jetzt habe ich auch feuchte Augen! Ich danke dir sehr für deine lieben Worte! <3
Bin ich froh, daß die Sache für dich so gut ausgegangen ist, auch wenn es sehr lang gedauert hat. Das macht mir Hoffnung.
Ganz lieben Dank! <3
Liebe Valérie, das ist ein total trauriger und gleichzeitig hoffnungsvoller post… Die Geschichte über die kleine Valérie treibt mir echt die Tränen in die Augen… und gleichzeitig ist es toll zu lesen, dass die große Valérie es so gut für sich hinbekommen hat…. Ganz lieber Gruß – Conny
Danke liebe Conny! Alles unsere Erfahrungen machen uns zu dem Menschen, der wir heute sind. Mir hat dieses Erlebnis zu einer grundlegenden Lebeneinstellung verholfen: Was war, kann ich nicht mehr ändern. Also Blicke ich lieber nach vorn und mache das Beste aus dem hier und jetzt. Und ich freue mich so, dass du zu meinem hier und jetzt dazugehörst ?
Liebe Valérie,
danke dir herzlich für diesen Beitrag! Ja, es ist wohl wirklich so: Ohne Stürze, Bisse, Trauer und/oder Enttäuschungen können wir offenbar nie “die andere Seite” sehen… Manchmal denke ich: Wenn es zuuu schön wäre, würden wir vielleicht blind. Und DASS du schön bist, steht für mich außer Frage…. Ach ja, und da ist dann noch arme kleine Mädchen im Kopierraum… Grüß’ sie doch bitte mal! Ich glaube, die hat dir auch einiges an Mut mitgegeben.. Und du hast es angenommen. Beides ist nämlich nötig…
Was für eine tolle Geschichte!
Herzliche Grüße
Maria
Liebe Maria, ich danke dir für deine lieben Worte! Ja, Kinder sind stärker als man glaubt – und sie vergessen Schmerz und Leid viel schneller. Und wenn man nie schlechte Zeiten erlebt, wie soll man dann die guten Zeiten schätzen? Auf die guten Zeiten! <3
Liebste Grüße,
Valérie
Ein wundervoller Beitrag. Ich bin leider auch erst im Laufe der Jahre gescheiter und selbstbewusster geworden. Tja, die Zeit kann man nicht zurückdrehen. Hauptsache, man kapiert es irgendwann und genießt das Schönsein. Ein Trost: es geht fast allen Frauen so….. und gerade diese Unsicherheit hat auch einen gewissen Charme. Herzliche Grüße von Michaela