Das erste Mal im Schlafwagen – 7 Tipps für eine erholsame Reise

Ich fliege nicht gerne. Nicht, dass ich Flugangst hätte, aber es ist mir unangenehm.

Vielleicht liegt es daran, dass mein Patenonkel einst mit seiner Cessna abstürzte, oder an meiner Berufszeit bei einer deutschen Airline, wer weiß. Fakt ist: Wenn es sich geschäftlich nicht anders einrichten lässt, fliege ich. Aber privat weiche ich, wo immer es geht, für Kurzstrecken auf das Auto oder die Bahn aus. Dabei bin ich relativ flexibel bei der Interpretation des Begriffs “Kurzstrecke”.
Alles innerhalb von Deutschland ist für mich zum Beispiel Kurzstrecke. Deutschsprachiges Ausland, wie Österreich und die Schweiz, auch. Sie merken schon, ich bin sehr flexibel.

Erste Erfahrungen im (Un-)Ruhesessel

Alles über 7 Stunden Kurzstreckenreisezeit mit Auto oder Bahn ist anstrengend. Da braucht es Alternativen. So reiste ich bereits im Sitzwagen der Bahn mit verstellbaren Ruhesesseln. Um es kurz zu machen: Ich würde sie eher “Unruhesessel” nennen.

Die ersten beiden Stunden umarmt einen der Sessel ganz wunderbar, dann klammert er. Von der Fensterseite her ist es kalt, am Rücken zu warm und man schmort förmlich “im eigenen Saft”. Zur Nachtruhe wird das Licht im Großraumwagen gelöscht, aber damit stoppt natürlich nicht gleichzeitig das Mitteilungsbedürfnis der Mitreisenden. Im Gegenteil. Einer quatscht immer. Laut.

Man schwitzt, man dreht und wendet sich, die Ohrstöpsel fallen unter den Sitz, die Decke verrutscht, das Kissen auch, und den Waschraum sowie die Toiletten möchte man lieber nicht benutzen. Aus Gründen. Das Ende vom Lied: Man kommt wie gerädert und müffelnd am Zielort an und kann erst nachmittags ins Hotel, um sich frisch zu machen. Iiiiiiiiiiiiihhhhhh!

Reisen im Schlafwagen – und die Zeit vergeht wie im Flug!

Diesmal also lieber die gehobene Variante: Reisen im Schlafwagen! Der Gatte, der Sohn und ich reisten von Bonn nach Wien mit einem Zug der ÖBB. Damit Sie wissen, was bei einer Reise im Schlafwagen auf Sie zukommt, hier nun die 7 besten Tipps für eine komfortable Reise:

1. Das Abteil – Manchmal kommt es doch auf die Größe an

Die Schlafwagenkabine für 2 Personen ist schmal. Haben Sie ein Bild vor ihrem inneren Auge? Gut. Stellen Sie sich die Kabine noch etwas schmaler vor. Und noch ein bisschen schmaler! Jetzt kommt es ungefähr hin. Mehr als Kleidergröße 44 sollten Sie nicht tragen, sonst können Sie sich nur seitlich fortbewegen. Zum Schlafen werden die Sitzplätze in Betten umgebaut. Versuchen Sie es gar nicht erst selber, das macht der Schaffner mit einem speziellen Schlüssel. Eiserne Regel: Buchen Sie für jede Person 1 Bett! Ich habe meines notgedrungen mit unserem 5-jährigen Sohn geteilt und lag mit dem Kopf am Fenster, er an der Tür. Machen Sie das bitte nicht nach, ich habe jetzt noch Muskelkater.

2. Gepäck verstauen – Manchmal ist kleiner besser

Eine extra Unterbringungsmöglichkeit für Koffer gibt es nicht, die müssen mit in die Schlafkabine. “Ein großer Koffer ist bestimmt praktischer als 3 kleine”, dachten wir. Falsch! Ein großer Koffer von ca. 90 Liter Inhalt passt nicht unter die Sitze und nicht in die Gepäckablage. Er passt nur aufrecht in den Gang der Schlafkabine. In den – wir erinnern uns – sehr schmalen Gang. Der verbleibende Platz im Gang reicht dann nur noch für 1 Person. Also: lieber mehrere kleine Koffer, als einen großen Koffer mitnehmen. Außerdem empfiehlt es sich, Waschzeug sowie Sachen für die Nacht und den nächsten Tag in einer Extratasche unterzubringen, dann müssen Sie nicht versuchen, den Koffer im Abteil zu öffnen.

3. Körperpflege – die Reihenfolge beachten

Im Abteil befindet sich eine kleine Waschgelegenheit, sowie eine Goodybag mit Seife, einem Handtuch in der Größe eines Gästehandtuchs, Hausschuhe, Ohropax sowie ein kleiner Becher mit Trinkwasser. Für die grundlegende Körperpflege empfehle ich die Mitnahme eines Waschlappens, den kennen Sie ja bestimmt noch aus Ihrer Kindheit.

Ganz großer Fehler: Die Sitze zu Betten umbauen lassen, BEVOR man sich gewaschen hat. Unsere Waschroutine sah auf der Hinreise folgendermaßen aus: Der Sohn und ich hockten auf dem unteren Bett, während der Mann den großen Koffer Richtung Tür schob. Der Waschtisch war durch die Leiter verdeckt, also musste der Mann die Leiter wieder abnehmen und über unsere Köpfe hinweg in der Wand verstauen. Dann versuchte der Mann, sich am Miniwaschbecken zu waschen und Zähne zu putzen, während der Zug durch enge Kurven ruckelte. Derweil versuchten der Sohn und ich auf dem Bett an uns zu halten, um nicht zu lachen. Vorsicht: Das gelingt nicht immer!

Pro-Tipp: Kleidung, die Sie am nächsten Tag noch einmal tragen möchten, sollten Sie vor gefährlichen Aktionen wie Waschen, Essen oder Trinken ablegen.

4. Wie man sich bettet…

Einer schläft unten, einer schläft oben. Das obere Bett erreicht man über eine Leiter, die in der Seitenwand des unteren Bettes verstaut ist. Sie wird über der Waschgelegenheit eingehängt, dann kann man ins obere Bett klettern. Damit man nicht aus dem Bett fällt, gibt es so eine Art “Sicherheitsgurt” an der Breitseite des oberen Bettes. Wichtig: Erst waschen, dann Leiter einhängen! Die Matratzen sind erstaunlich bequem und die Bettdecke ist warm und lang genug.

Das Einschlafen fällt durch das Schaukeln und Rattern des Zuges sowie das Knallen der Türen zunächst etwas schwer. Man staunt übrigens nicht schlecht, welchen Neigungswinkel so ein Zug während der Fahrt einnimmt. Zeitweilig hat man das Gefühl, fledermausgleich mit dem Kopf nach unten zu schlafen. Einschlaftipp: Stellen Sie sich vor, Sie sind im Wilden Westen und fahren im vollen Galopp mit der Kutsche. Oder Sie machen eine Reise auf dem Traumschiff und werden sanft von den Wellen in den Schlaf… ZzzZzzz…..

5. Wenig Raum, viel Klima

Am Fenster befindet sich die Lüftung. Der Luftzug ist nicht manuell einstellbar und variiert je nach Zuggeschwindigkeit. Schlafen Sie also bitte nicht mit dem Kopf an der Fensterseite, es sei denn, Sie lieben fliegendes Haar auch nachts im Schlaf oder mögen es, im Schlaf einen kühlen Kopf zu behalten. Guter Rat des Schaffners: “Legen Sie doch ein Handtuch über den Lüftungsschlitz, falls es Ihnen zu sehr zieht”.

6. Spieglein, Spieglein an der Wand – Wie mache ich mich schön im Schlafwagen?

Trinken Sie viel, vergessen Sie die Feuchtigkeitscreme und das Deo nicht und tragen Sie eine Schlafmaske und die Ohrstöpsel. Dann geht’s. Wer sich morgens während der Fahrt zu schminken gedenkt: Hahahahahaa! Vergessen Sie’s, oder schminken Sie sich in Etappen bei jedem Bahnhofsstopp.

7. Das leibliche Wohl – alles eine Sache der Balance

Abends bringt der Schaffner eine kleine Liste, auf der jeder Passagier 6 Dinge ankreuzen kann, die er gerne zum Frühstück essen möchte. Weckruf und Frühstücksservice durch den Schaffner funktionieren erstaunlich gut. Das Frühstück wird auf einem kleinen Tablett ins Abteil gereicht. Es empfiehlt sich, vorher die Betten zurückzuklappen, auf den Sitzen Platz zu nehmen, und die heißen Getränke gut festzuhalten. In Amerika mag man millionenschweres Schmerzensgeld für das Verbrühen mit Heißgetränken erhalten, in Europa hingegen nur ein unterdrücktes Lächeln. Also: Vorsicht, heiß!

Das Fazit:

Erwähnte ich bereits, dass ich ungern fliege? Als Alternative zum Fliegen kann ich das Reisen im Schlafwagen durchaus empfehlen. Wenn Sie die vorgenannten Tipps beherzigen und etwas mehr Zeit zur Verfügung haben, ist diese Art zu reisen sogar einigermaßen komfortabel und erholsam. Nächstes Mal buchen wir die Luxusvariante mit eigenem WC und etwas größerer Kabine, und vielleicht habe ich dann wieder neue Tipps für Sie auf Lager. Bis dahin: Gute Reise!

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von d3ijcis4e2ziok.cloudfront.net zu laden.

Inhalt laden

♥ TEILE DIESEN BEITRAG ♥ SHARING IS CARING ♥
Join the Conversation

8 Comments

  1. says: meyrose

    “Gefällt Ihnen, was sie hier lesen?” Nein 😉 Wenn ich das lese, weiß ich wieder, warum ich die Bahn meide, wo ich kann. Da steige ich lieber in einen Flieger, auch wenn mir dabei auch schon wohler war … ich weiß darüber auch einfach zu viel … aber alles besser als Bahn mit Übernachtung im Zug.
    Danke für Deine detaillierte Schilderung, die mich auch im Zukunft davon abhalten wird.
    Liebe Grüße
    Ines

    1. says: Life 40up

      Liebe Ines,

      ich sehe das Schlafwagen-Erlebnis positiv. Wir haben viel gelacht und für den Kleinen war es DAS Erlebnis des gesamten Wien-Wochenendes. Aber ich kann Dich natürlich verstehen. Einen zukünftigen Blogbeitrag über Flugreisen widme ich dann Dir ;-).

      Liebe Grüße,
      Valérie

  2. says: Barbara

    Herrlich, liebe Valerie. Den Beitrag hab ich grinsend und lachend genossen! Sehr schöne Beschreibung. Bisher ist mir vom Schlafen im Zug immer abgeraten worden. Aber wenn ich das lese, sollte ich das Abenteuer vielleicht mal auf mich nehmen 😀
    Ich hatte vor kurzem auch eine längere Bahnreise. Sieben Stunden aber tagsüber und mit umsteigen. Ich habe extra einen Platz im Ruhebereich im ICE reserviert und musste dabei leider feststellen, dass es überall ruhiger war als im Ruhebereich. Das traf leider auf jeden der Züge zu. Wenn ich also mal Ruhe wollte, ging ich ins Bordrestaurant. Oder in ein anderes Abteil. Ich musste übrigens immer lachen, da ich im Restaurant gefragt wurde ob ich den Kaffee zum gleich trinken oder mitnehmen haben wolle… klar… mit zum Platz nehmen. Trotzdem find ich dieses “zum mitnehmen” in einer Bahn die erst in 1,5 h wieder hält irgendwie schräg 😉

    1. says: Life 40up

      Jetzt musste ich aber mal grinsen, liebe Barbara. Du hast völlig Recht: “Ruhebereich” und “Ruhe” können sich gegenseitig ausschließen ;-). Das Schöne an einem Schlafwagenabteil: Du kannst die Tür hinter Dir schließen und hast deine Privatsphäre. Zumindest den Kaffee kann man dann in Ruhe genießen!

    2. says: meyrose

      Danke, bin gespannt 😉
      Dass solche Bahnreisen für Kinder ein absolutes Highlight sind, kann ich mir gut denken. Diesen Aspekt brauche ich nur nicht zu berücksichtigen 🙂 .
      Liebe Grüße
      Ines

  3. says: Meilenjägerin

    Durch meine vielen Interrailreisen habe ich schon einige Erfahrungen mit Zügen mit Schlafwägen machen können. Mich persönlich hat diese Art von Reisen nie gestört, auch wenn es nicht gerade die Komfortabelste ist. Aber gerade als Vielreisender muss man in punkto Komfort oft Abstriche machen, da eben das Reisebudget meist nicht so großzügig gestaltet ist. Für mich sind Ohrstöpsel, eine gemütliche (Jogginghose), ein dünnes Shirt und ein dickerer Pulli sowie mein Tablet ein absolutes Muss für längere Strecken in einen Schlafwagen. Auch ein Notfall-Hygiene-Päckchen sollte für solche Situationen zusammengestellt werden.

    1. says: Life 40up

      Ich schreibe für alle möglichen Reisen (Sommer, Winter, Wochenende, mit Kind, ohne Kind) Checklisten, damit man beim nächsten Mal nichts vergisst. Wird sofort um Ihre Tipps ergänzt. Danke! 🙂

  4. Ein wesentlicher Vorteil ist, wenn man ausreichend Familie hat, um ein ganzes Abteil zu füllen.
    Da ich immer allein unterwegs bin, wird die Erfahrung wahrscheinlich stark von den Mitreisenden abhängen. Bis jetzt habe ich mich noch nicht dazu durchringen können, obwohl ich wahnsinnig gerne Zug fahre.

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Damit ich dich in den Kommentaren langfristig sicher zuordnen kann, benötige ich deinen Vornamen und deine E-Mail-Adresse (Die E-Mail-Adresse wird nicht öffentlich angezeigt!). Diese werden von mir nur für diesen Zweck und nur so lange gespeichert, bis du mich um die Löschung deiner Daten bittest. Mit der Abgabe deines Kommentars erklärst du dich damit einverstanden. Eine ausführliche Erläuterung zur Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten findest du in meiner Datenschutzerklärung.

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und akzeptiere diese.*